Alta moda
wirkte gefaßt und hatte sogar ein wenig Farbe bekommen. Er sieht auf einmal viel jünger aus, dachte der Maresciallo und folgte Leonardos Blick, der sich nach rechts gewandt hatte, den Bergen zu, die bei jeder Wetterlage, ja selbst bei diesem herrlichen Sonnenschein immer finster und abweisend wirkten.
Die Fahrt den Steilhang hinauf hatte noch gar nicht lange gedauert, als der Jeep auf ein Grasplateau abschwenkte und hielt. Staatsanwalt Fusarri, der Capitano und ein Trupp Ortspolizisten waren schon vor ihnen eingetroffen. Hinter der Gruppe sah man, zum Teil von Astwerk und Felsbrocken verdeckt, das schwarze Auto der Contessa Brunamonti, das gerade vom Polizeifotografen abgelichtet wurde.
»Die Nummernschilder haben sie abmontiert«, stellte der Maresciallo fest. »Würden Sie trotzdem sagen, daß das der Wagen Ihrer Mutter ist?«
»Ja, ja, das ist er. Was hat das zu bedeuten? Ist sie…?« Wieder suchte sein Blick die schneeüberzuckerten Gipfel der schwarzen Bergkette ab.
»Es bedeutet nichts weiter, als daß wir ihre Spur aufgenommen haben. Immer eine der leichteren Übungen. Ist gewissermaßen Routine, daß die Täter an irgendeiner abgelegenen Stelle das Fluchtauto wechseln. Ihre Mutter könnte oben in den Bergen sein oder am anderen Ende von Italien. Bleiben Sie hier im Warmen sitzen, bis die Leute von der Spurensicherung fertig sind. Danach wird man Sie holen, damit Sie sich das Auto von innen ansehen.«
Es dauerte seine Zeit. Denn auch wenn sich niemand Hoffnung auf brauchbare Fingerspuren machte, wurde der Wagen natürlich trotzdem gründlich unter die Lupe genommen. Der Capitano und der Staatsanwalt waren ins Gespräch vertieft, und der Maresciallo hielt sich respektvoll im Hintergrund. Man hatte den Wagen ein Stück weit rückwärts in eine Höhle gefahren. Guarnaccias Miene verdüsterte sich. Es gab so viele Höhlen in diesen Bergen, manche taugten gerade mal als Versteck für einen einzelnen Menschen, andere für ein ganzes Bataillon.
Der Maresciallo sah sich nach dem Carabiniere um, der sie hergebracht hatte, fand ihn aber nicht. Dafür entdeckte er Bini, den Maresciallo der Kommunalwache, und erkundigte sich bei ihm, wer hier der Grundherr sei.
»Salis. Giovanni Salis.« Bini sprach mit gedämpfter Stimme, als fürchte er, von diesem notorischen Banditen belauscht zu werden. »Hab’s dem Capitano auch gemeldet, aber der wußte natürlich schon Bescheid… ist jetzt gut dreieinhalb Jahre her, daß Salis untergetaucht ist.«
»Und wie lange sind Sie schon hier?«
»Im September werden’s sieben Jahre.«
»Dann kennen Sie ihn also?«
»Und ob ich ihn kenne, aber den kriegt keiner – nicht bis zu dem Tag, wo er von selber runterkommt aus den Bergen. Es heißt, er könne bis zum Boden geduckt auf allen vieren laufen, was das Zeug hält. Soll durchs Unterholz preschen wie ein wilder Eber, der Salis. Einmal ist ein Suchtrupp mit Hunden auf seine Fährte gestoßen, aber der Fluchtweg war so schmal, daß jeweils nur ein Hund nachsetzen konnte, und Salis hat seine Verfolger unter Feuer genommen, bis die aufgeben mußten. Der Hubschrauber, der die Aktion aus der Luft unterstützen sollte, hat überhaupt nichts mitgekriegt. Nein, den Salis, den schnappen sie nicht, es sei denn, er käme von selbst. Und damit ist es ja nun wohl Essig, oder?«
»Und was, wenn er eine Lösegeldzahlung kassieren wollte?«
»Dann wäre der schneller unten und außer Landes, als seine Komplizen das Opfer freilassen könnten. Glauben Sie mir, ich kenne den Mann.«
»Guarnaccia!«
Der Maresciallo entschuldigte sich und ging hinüber zu seinem Capitano.
»Guarnaccia, der Junge soll sich den Wagen mal von innen ansehen. Wie kommen Sie übrigens mit ihm… ist er kooperativ?«
»Im Augenblick schon. Fragt sich nur, was wird, wenn der Amerikaner mit seinem Detektiv anrückt. Noch hört er brav auf mich, so verängstigt und durcheinander, wie er ist, aber… Na ja, jetzt, wo wir den Wagen haben, ist schon einiges gewonnen.«
»Freut mich, daß Ihnen damit geholfen ist. Unsren Ermittlungen hilft es nämlich nicht weiter. Wir brauchen mehr als das Auto.«
Sie fanden auch mehr. Nicht im Wagen. Der gab vor Ort nichts weiter preis, auch wenn das Polizeilabor später bestimmt nachweisen konnte, was sie zu Recht darin vermuteten, aber vor Gericht würden dokumentieren müssen: Menschenund Hundehaare zum Beispiel. Sehr viel mehr fanden sie jedoch – und ohne allzu große Mühe – in einer zweiten, etwas weiter oberhalb
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