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Alta moda

Alta moda

Titel: Alta moda Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Magdalen Nabb
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gelegenen Höhle: Plastikwasserflaschen, Essensreste, eine schmuddelige alte Matratze und dahinter, in die Mauer eingeritzt, zwei Worte in englischer Sprache: GONE SWIMING.
    Leonardo, dem man die Inschrift zeigte, richtete sich, als er wieder aus der Höhle gekrochen kam, stumm auf, wehrte den fragenden Blick des Maresciallos mit einem hastig gestammelten »Verzeihung…« ab und taumelte beiseite. Fusarri, ein kaltes Zigarillo zwischen den Zähnen, hob verwundert die Brauen und sah bald den Capitano, bald Guarnaccia an.
    »Wenn ich seine Reaktion richtig deute, dann ist er sicher, daß seine Mutter das geschrieben hat. Nun kann ich mir nicht vorstellen, daß sich eine mit Stein in Stein geritzte Handschrift identifizieren läßt. Demnach muß es sich wohl um irgendeine Botschaft handeln. Jedenfalls für ihn – ich kann nichts damit anfangen. Sie, Capitano?«
    »Nein, aber…«
    »Na los, Maresciallo, Ihr Englisch ist meiner Erinnerung nach ausgezeichnet.«
    »Es reicht, um zu erkennen, daß ein Rechtschreibfehler drin ist.«
    »Ach, wirklich? Sie meinen, die Botschaft ist gefälscht?
    Vielleicht das Werk der Entführer? War ja sonst auch merkwürdig, daß sie das Geschreibsel nicht entfernt haben, wo es so leicht zu finden war.«
    »Genauso merkwürdig wie der ganze Plunder in der Höhle. Möglich, daß sie überstürzt aufbrechen mußten, aber…«
    Fusarri nahm das Zigarillo aus dem Mund und fuchtelte damit in der Luft herum. »Sie meinen, der ganze Schauplatz hier ist nur Staffage? Aber der Wagen, den hat der Sohn doch erkannt.«
    »Ja, und seine Reaktion in der Höhle, die war auch echt. Oder, Maresciallo?«
    Guarnaccia nickte und trat zu Leonardo, der auf einem Felsblock saß und wie gebannt zu den Bergen hinaufstarrte. Der Maresciallo hatte denn auch einige Mühe, ihn in die Gegenwart zurückzuholen.
    »Sie war hier. Das war eine Nachricht für mich. Sie ist da drin gewesen…«
    »Aber es ist nicht richtig geschrieben, oder? Wir haben uns deshalb schon gefragt, ob die Botschaft von ihren Entführern stammt. Sie könnten versuchen, uns mit einem vorgetäuschten Versteck von der Spur abzubringen.«
    »Nein, nein, das…« Er holte tief Luft. »Das mit dem Fehler, das ist ja gerade der Beweis. Als Kind besuchte ich eine italienische Schule, und solange mein Vater bei uns lebte, unterhielt ich mich mit ihm auf italienisch. Meine Mutter dagegen hat immer englisch mit mir gesprochen und versucht, mir auch Schreiben und Lesen in ihrer Muttersprache beizubringen. Sie hat mir sehr viel vorgelesen. Aber die englische Rechtschreibung, mit der habe ich mich immer schwer getan, und besonders stark bin ich darin, ehrlich gesagt, bis heute nicht. Mit dreizehn oder vierzehn hatte ich nachmittags Schwimmunterricht, und wenn meine Mutter unten im Atelier war, hinterließ ich ihr in der Wohnung einen Zettel, um sie daran zu erinnern. Geschrieben habe ich immer genau das, was jetzt da drinnen steht, egal, wie oft sie mich verbesserte. Irgendwann fing sie an, es meiner Schreibweise gemäß auszusprechen, und es wurde zu einem geflügelten Jux zwischen uns, den nur wir beide verstanden. Ja, sie war hier. Wenn ich nur direkt zu Ihnen gekommen wäre…«
    »Nicht doch, hören Sie auf, sich so zu quälen.«
    »Sie haben ja recht, ich weiß: ›Wenn ich’s nur früher gewußt hätte‹ – was für ein sinnloser Spruch. Sagen Sie mir lieber, was ich jetzt tun soll…«
    Mit einem heimlichen Seufzer der Erleichterung erinnerte der Maresciallo ihn an die drei Fragen, die er und seine Schwester vorzubereiten hatten. Die kleine Nachricht seiner Mutter, erklärte er, sei ein ideales Beispiel für die Art von Informationen, die sie als Lebenszeichen fordern sollten.
    »Und wenn wir die Fragen beisammenhaben, was machen wir dann damit?«
    »Das erfahren Sie schon noch.«
    »Sie meinen, von denen?«
    »Ja.«
    Giovanni Salis, geboren in Orgosolo auf Sardinien, eingetragener Beruf Schäfer, wahre Einkommensquelle erpresserischer Menschenraub, war, wie Bini gesagt hatte und wie die Akten es bestätigten, seit dreieinhalb Jahren flüchtig. Der Capitano brauchte alle verfügbaren Informationen über Salis, seine Komplizen, Vorstrafen, Gewohnheiten, seine Beziehung zu Geldwäschern und eventuell in der Haft geknüpfte Kontakte zu Wirtschaftsverbrechern, die ihn auf die Brunamontis und ihre Geschäfte hätten aufmerksam machen können. Er hatte einen guten Mann in seinem Ermittlungsstab, einen, der selber aus Sardinien stammte; ein wahrer

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