Alta moda
die nebeneinander auf dem weißen Sofa saßen, wichen ihm nach einem flüchtigen Blickwechsel bei seinem Eintritt beharrlich aus. Neben Hines auf der Seitenlehne hockte die Schwester, den Arm über den Sofarücken ausgestreckt, den funkelnden Brillantring am Finger. Unter der schulterlangen blonden Mähne maß sie den Maresciallo mit ihrem eigenartigen Seitenblick. Der Mund war wie zu einem erzwungenen Lächeln verzogen, doch sie lächelte nicht. Der einzige in der Runde, der völlig unbefangen wirkte und der, seinem Gesichtsausdruck nach zu urteilen, die Situation ganz souverän beherrschte, war der englische Detektiv Charles Bently, der dem Maresciallo gerade durch diese überlegene Attitüde verriet, daß ihm sein (mit einem knappen Nicken quittierter) Auftritt am meisten gegen den Strich ging.
»Leo«, flötete die Signorina und tippte ihrem Bruder über Hines’ Rücken gelehnt auf die Schulter, »wir sollten den Maresciallo bitten, Platz zu nehmen.«
Als der Maresciallo den jungen Mann so blicklos vor sich hinstarren sah wie an dem Tag, als er zusammengebrochen war, ließ er den Einwurf der Schwester als Aufforderung gelten und setzte sich auf einen recht stabil wirkenden Stuhl gleich neben den Detektiv. Dann wartete er, wobei seine großen, vorquellenden Augen, ohne daß er sie auf irgend etwas im besonderen gerichtet hätte, alles und jedes in seinem Blickfeld registrierten. Was ihm als erstes auffiel, das war der Hundekorb nicht weit von Leonardos Platz, oder vielmehr der Umstand, daß der Korb leer war. Die Stentorstimme der grauhaarigen Frau brach unvermittelt das Schweigen.
»Ich finde, du solltest Tessie heimholen. Was ihr auch fehlt, gesund werden wird sie am ehesten zu Hause.« Ihr Appell richtete sich offenbar an Leonardo, und als der nicht antwortete, beugte sie sich vor und rief noch lauter: »Leonardo, hörst du nicht?«
»Caterina regelt das schon.«
Seine Schwester sagte sehr gefaßt: »Tessie war so ausgetrocknet, daß sie an den Tropf mußte, und vielleicht muß man die Behandlung wiederholen. Es wäre rücksichtslos, ein krankes Tier mit so schweren Verletzungen ständig hinund herzutransportieren. Sie würde dadurch nur unnötig leiden. Diese Woche bleibt sie beim Tierarzt.«
»Du kannst sie keine ganze Woche dort lassen! Das wäre ihr Tod!«
»Sie ist beim Arzt am besten aufgehoben, und vielleicht behält er sie auch länger.«
»Leonardo! Das kannst du doch nicht zulassen!«
Der junge Mann antwortete nicht gleich. Er saß zusammengesunken da und barg den Kopf in den Händen. Dann, mit einer scheinbar kolossalen Anstrengung, richtete er sich auf. »Ich hätte sie auch lieber hier, aber ich lasse mich eben zu sehr von Gefühlen leiten. Und Tessie braucht rund um die Uhr medizinische Betreuung, die sie hier nicht hätte.«
Er glaubte offenbar, was er sagte, und doch klang kein Wort davon echt. Der Maresciallo wunderte sich, wie das möglich war.
Die schneidende Stimme des Detektivs setzte dem Disput ein jähes Ende.
»Hören Sie, Hines, der Maresciallo hat sicher Verständnis dafür« – Betonung auf dem Unteroffiziersgrad, das Ganze über den Kopf des Besuchers hinweggesprochen –, »daß wir hier mitten in einer Besprechung sind, und da es um die finanzielle Situation der Familie geht, obendrein in einer sehr vertraulichen. Überhaupt hielte ich es für ratsam, er würde seine Besuche vorerst einstellen: eine Vorsichtsmaßnahme, um das Leben der Contessa Brunamonti nicht zu gefährden.«
»Damit bin ich aber nicht einverstanden!« Caterina blitzte den Detektiv scharf an. »Der Maresciallo tut doch nur seine Pflicht. Immerhin ist er mit dem Fall betraut, und ich…«
»Lassen Sie nur«, sagte der Maresciallo verbindlich. Es lohnte sich nicht zu bleiben, da sie in seiner Gegenwart doch nicht offen reden würden. Besser, er ließ sie allein beraten und wartete ab, was die Tochter ihm später zutragen würde. Wenn er Glück hatte, würde die fremde Frau ihn hinausbringen. Tatsächlich war sie, obwohl sichtlich aufgewühlt, wie der Blitz auf den Beinen, kaum daß der Maresciallo sich erhob. Und an der Tür zischte sie in ihrem weithin hörbaren Flüsterton: »Wissen Sie schon, daß man dem Mädchen gekündigt hat?«
»Ich… nein. Ich dachte, sie ist bei ihrer Schwester zu Besuch. Und da sie so aufgelöst schien…«
»Allerdings, das war sie, wegen Olivia. Aber jetzt ist sie erst recht fix und fertig. Gekündigt, einfach so! Darum ist sie bei ihrer Schwester. So schlecht fand
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