Alta moda
Fehler zu erkennen. Im Bewußtsein meines kleinen Triumphes nahm ich den Zettel wieder an mich und las den Text zu Ende.
»Los jetzt. Schreiben Sie endlich.« Meine hämische Kritik hatte ihn böse gemacht. Er legte mir eine dicke Illustrierte und ein liniertes Blatt Papier auf den Schoß und dazu einen billigen Kugelschreiber. Es war sehr schummrig im Zelt. Zwar gab es auf einer Seite ein Sichtfenster aus Plastik, aber einmal schirmten die Bäume über uns das Licht ab, zum anderen war das Zelt zur Tarnung mit Reisig abgedeckt. Hoffentlich war es hell genug zum Schreiben. Nein, dazu reichte es nicht, aber ich schrieb trotzdem, auch wenn ich mein Gekritzel hinterher nicht mehr hätte lesen können. Das spärliche Licht half mir nur, halbwegs die Zeilen einzuhalten, ansonsten schrieb ich blind. Die Vorstellung, mit meinen Kindern, mit der Außenwelt zu kommunizieren, elektrisierte mich und verdrängte die Verzweiflung darüber, daß bis jetzt noch gar nichts geschehen war.
Meine geliebte Caterina, mein liebster Leo, man hat mir erlaubt, Euch mitzuteilen, daß der Inhalt dieses Briefes mir vorgegeben wurde und daß einzig der letzte Absatz von mir stammt. Natürlich wird der ganze Brief gegengelesen, bevor er an Euch abgeht. Ich bin in der Gewalt von Profis, weshalb Ihr Euch, wenn Ihr mich wiedersehen wollt, buchstabengetreu an die Anweisungen halten müßt. Das erste Gebot lautet: Nehmt Euch in acht vor den staatlich besoldeten Mördern, d.h. vor Polizei und Carabinieri. Diese gemeinen Feiglinge treiben ein falsches Spiel, und Ihr müßt dieses Geschmeiß meiden, sonst habt Ihr, meine eigenen Kinder, mich auf dem Gewissen. Noch mehr vorsehen müßt Ihr Euch vor den Staatsanwälten, die einzig und allein an Aufstieg und Erfolg interessiert sind und sich nicht darum scheren, was aus mir wird oder aus Euch.
Vertraut Euch auch keinem Rechtsanwalt an, denn der würde Euch in einer solchen Situation nur Geld abknöpfen und sich dann doch, um seine Karriere zu befördern, zum Handlanger der staatlich besoldeten Mörder machen, und das würde für mich den Tod bedeuten. Schon jetzt habe ich furchtbare Foltern erlitten und bin von Schmerz und Kummer so gebrochen, daß ich mich kaum mehr als Mensch fühle. Mit aller mir noch verbliebenen Kraft flehe ich Euch darum an: Tut alles, was nötig ist, um mich zu befreien. Ich bin hier angekettet wie ein Tier, kann weder sehen noch hören und leide entsetzliche Qualen. Unsere Vermögenswerte wird man von Staats wegen sperren, aber dieses Hindernis könnt Ihr mit Hilfe meiner Freunde umgehen, und außerdem droht Euch als meinen leiblichen Kindern bei Verstoß gegen das entsprechende Gesetz ohnehin keine Strafe. Wenn Ihr dagegen nichts unternehmt, dann würde man mich täglich foltern und am Ende töten. Davor könnt Ihr mich nur bewahren, wenn Ihr die folgenden Instruktionen peinlich genau befolgt: Der Preis für mein Leben und meine Freiheit beträgt 8 (acht) Milliarden Lire, und jede Verzögerung, jeder falsche Schritt Eurerseits hat zur Folge, daß der Preis steigt. Das Geld muß in 50und 100000-LireScheinen bereitliegen. Verlangt werden gebrauchte Banknoten, die auf keinen Fall registriert oder chemisch präpariert sein dürfen. Verhandlungen über die geforderte Summe sind ausgeschlossen, und Ihr habt zwei Monate Zeit, das Geld aufzutreiben. Falls Ihr Euch weigert, den vollen Betrag zu zahlen, werde ich am letzten Apriltag hingerichtet. Wenn Ihr aber zahlt und nicht versucht, bei der Übergabe die Polizei einzuschmuggeln, wird alles reibungslos verlaufen. Tut Ihr Euch mit der Polizei zusammen, wird Euch das nichts helfen, und ich werde dafür mit dem Leben bezahlen. Diese Leute haben schon so viel Blut an den Händen, daß ein weiterer Mord nur einmal mehr ihre Blutgier stillen würde. Wenn Ihr das Geld beisammen habt, gebt drei Tage hintereinander in La Nazione unter der Rubrik ›Fundsachen‹ folgende Annonce auf: BELOHNUNG! Gesucht wird eine Tasche mit wichtigen persönlichen Papieren, verloren auf der Piazza Santo Spirito. Tel. (gebt die Nummer eines meiner Freunde an). Sobald die Anzeige erschienen ist, bekommt Ihr einen weiteren Brief von mir, in dem ich Euch mitteilen werde, wie die Geldübergabe vonstatten geht. Ferner bekommt Ihr dann als Beweis dafür, daß ich noch am Leben bin, ein Polaroidfoto von mir mit einer aktuellen Tageszeitung, deren Datumszeile einwandfrei zu erkennen sein wird. Nach erfolgter Zahlung werde ich binnen acht Tagen freigelassen. Wenn es soweit
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