Alta moda
ich ihr Italienisch wirklich nicht – und Sie, wie fanden Sie’s? – ach, ich bin übrigens die Contessa Elettra Cavicchioli Zelli. Schon gut, ich weiß, wie Sie heißen. Außerdem muß man sich schon die Mühe machen und diesen Filipinas beibringen, wie man an einer Tafel serviert. Wissen Sie, daß die Familien dieser jungen Dinger zum Teil so bettelarm sind, daß sie von Glück sagen konnten, wenn daheim überhaupt etwas auf den Tisch kam? Die hatten wahrhaftig andere Sorgen, als welches Glas zu welchem Wein gehört! Die Kleine tut mir so leid, ich werde sie zu mir nehmen und ihr Arbeit geben, bis Olivia…« Sie stockte.
»Wir tun, was wir können, glauben Sie mir.«
»Sie? Es kümmert mich herzlich wenig, was Sie tun!
Es sei denn, Sie hätten acht Milliarden Lire! Ich tue auch, was ich kann, aber das reicht leider nicht, und Patrick ist ein Schatz, bloß hat er keinen roten Heller. Ich muß zurück, die machen schon lange Ohren. Na dann, ciao.«
Sie schlug ihm praktisch die Tür vor der Nase zu. Der Maresciallo, der sich von soviel geballter Verve erst einmal erholen mußte, blieb unten auf der Piazza stehen und notierte sich den Namen der Contessa Elettra Cavicchioli Zelli. Dann betupfte er sich mit dem Taschentuch die Augen, die im hellen Sonnenschein zu tränen begannen, und setzte seine dunkle Brille auf. Es war richtig warm geworden, einer jener sprunghaften Temperaturanstiege, mit denen man in Florenz immer rechnen muß und die besonders im Februar die halbe Stadt mit Grippe flachlegen. Schon ballten sich, getreu der Bauernregel ›Auf Sonne folgt Regen‹, dicke graue Wolken hinter dem lichtgelben Kirchengemäuer zusammen, aber noch war es im Freien sehr angenehm. Der Maresciallo war froh um seinen täglich Spaziergang zwischen der Piazza Santo Spirito und dem Präsidium in Borgo Ognissanti, und heute mehr denn je… Elettra… welch treffender Name! Die Frau konnte in der Tat dreinfahren wie ein Blitz, jedenfalls wenn sie so wütend war wie eben – fragt sich bloß, auf wen? Am meisten aufgeregt hatte sie sich anscheinend wegen des Hündchens… und wegen der ewig verheulten Sylvia… Acht Milliarden. Hm.
Der Capitano war in einer Besprechung beim Oberst und hatte dem Maresciallo ausrichten lassen, falls es nichts Dringendes gebe, könne man sich auf morgen vertagen. Der Maresciallo ließ seinen Vorgesetzten durch einen Carabiniere herausbitten und pflanzte sich unterdessen im frisch gebohnerten Korridor neben einem Gummibaum auf.
Als der Capitano erschien, sah er seinen Maresciallo erwartungsvoll an, doch dessen Miene verriet nichts. Guarnaccias Miene verriet nie etwas. Er hatte die Weisung des Capitanos erhalten und war trotzdem vorstellig geworden. Hier stand er in Lebensgröße, das mußte genügen.
»Die Entführer haben sich gemeldet?«
»Ja. Sie fordern acht Milliarden Lire, vermutlich unter den üblichen Bedingungen. Aber außer der Summe kann ich Ihnen leider gar nichts melden. Ich hab bei der Familie verspielt, tut mir leid.«
»Werfen Sie nicht gleich die Flinte ins Korn. Der erste Kontakt ist immer ein Schock, verängstigt die Leute. Um so mehr Grund, bei Ihnen Halt zu suchen, sobald sie sich wieder gefangen haben.«
»Nicht die Brunamontis. Die haben doch diesen Detektiv. Der wird ihnen weiterhelfen.«
»Und hält der Sie auf dem laufenden?«
»Nein.«
»Aber wer hat Sie dann über die Lösegeldforderung informiert?«
»Eine Freundin der Familie. Ich glaube, von der kann ich noch viel mehr erfahren, falls dieser Detektiv sie nicht einschüchtert.«
»Haben Sie den Eindruck, daß sie sich einschüchtern läßt?«
»Ganz und gar nicht. Außerdem bleibt immer noch die Tochter. Sie wollte mich dabei haben, aber die anderen waren dagegen, also bin ich gegangen. Sie muß sich dem Schein nach fügen, sonst weihen die sie nicht in ihre Pläne ein. Hoffentlich ist es nicht schon zu spät. Sie hätte sich heute nicht so offen für mich einsetzen dürfen.«
»Ist wohl nicht sehr helle, die Signorina…«
»Ich weiß nicht… Natürlich hat sie das alles schrecklich mitgenommen, da…» »Und wer ist diese Freundin?«
Der Maresciallo konsultierte sein Notizbuch. »Eine gewisse Contessa Elettra Cavicchioli Zelli.«
»Ah ja, die hat schon Fusarri als Kontaktperson in Erwägung gezogen. Eine schwerreiche Frau. Warten Sie doch oben in meinem Büro, bis ich hier fertig bin, ja? Ich habe da ein paar Namen für Sie. Wir müssen an der Basis ansetzen, will sagen, wir brauchen als erstes
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