Alta moda
den basista, den Kundschafter.«
Es war nicht schwer, zu erraten, wer diese Entführung inszeniert hatte, nachdem Salis als Verdächtiger ausgeschieden war, und ein so kluger und erfahrener Mann wie Salis hätte ein Versteck niemals vor Abschluß einer Operation auffliegen lassen, ja nicht einmal hinterher wäre ihm das passiert, es sei denn, eine drohende Razzia hätte ihn zu überstürzter Flucht gezwungen. Nein, Salis konnte man getrost streichen, auch wenn die Ermittler guten Grund hatten, das zu bedauern. Bei einem Salis hätte man nicht über die sardische Gemeinde hinaus nach Komplizen fahnden müssen, und durch die mit ihm verfeindeten Sippen hätte sich der Kreis der Verdächtigen noch weiter eingeengt. Puddu dagegen lebte nicht nur seit langem auf dem Festland, er hatte inzwischen auch mit den heimischen Wurzeln und Traditionen gebrochen. Er hatte unzählige Komplizen im Milieu, und die einzigen, die man als Handlanger ausklammern konnte, waren mit ihm verfeindete Familienverbände und diejenigen seiner Kumpane, die zufällig gerade hinter Gittern saßen. Die Ermittler des Capitano hatten eine Liste zusammengestellt, auf der – in Anbetracht der Größenordnung und der Brisanz dieses Coups – nur die Männer aufgeführt waren, die früher schon für Puddu gearbeitet und einschlägige Erfahrung mit erpresserischem Menschenraub hatten. In einem weiteren Ausleseverfahren hatte man all diejenigen gestrichen, die gegenwärtig einsaßen oder, sofern sie auf Bewährung waren, ihre Meldepflicht einhielten, und endlich die Männer, die sich nachweislich außer Landes befanden. Der verbleibende Kern wurde unauffällig observiert, ebenso wie sämtliche Zugänge zu den Waldrevieren und Umlandsgebieten, in denen Puddu seine Geisel versteckt halten mochte. Letzteres war, da die Ermittler nicht wußten, nach wem gezielt oder wo genau sie suchen sollten, der schwierigste Teil des Unternehmens. Maestrangelos Männer befanden sich hoffnungslos im Nachteil, denn sie wußten zwar, daß es eine Kontaktperson geben mußte, jemanden, der die Geisel und deren Bewacher mit Nahrung und Trinkwasser und den nötigen Informationen aus der Außenwelt versorgte, aber selbst wenn man einen solchen Provianteur ausspähte, wäre ein Zugriff in diesem Stadium mit Rücksicht auf das Leben der Geisel zu riskant gewesen. Der einzige, den man gefahrlos festsetzen konnte, war der basista, der Kontaktmann an der Basis, der Puddus Opfer ausgespäht hatte. Gefahrlos, weil der seinen Anteil erfahrungsgemäß mit einem Strohmann ausgehandelt und längst von diesem kassiert hatte und – sofern nichts schiefging – nie erfahren würde, von wem der Coup eingefädelt worden war. Für die Ermittler war er dennoch ein wertvolles Bindeglied, denn jemand, der mit den Brunamontis verkehrte, konnte nur im Gefängnis mit Puddus Welt in Kontakt gekommen sein, und um diesen Kontakt herum war das Netz geknüpft, das bis zu ein paar der Namen auf Maestrangelos Liste reichen würde.
Bisher waren weder die Ermittler über ihre Informanten noch der Maresciallo durch Gespräche mit der Familie dem gesuchten basista auf die Spur gekommen.
»Ehrlich gesagt hatte ich mir von Ihnen mehr versprochen als von den Fahndern da draußen«, gestand der Capitano seinem Maresciallo. »Was ist mit dieser Contessa Cavicchioli Zelli? Angeblich ist sie sehr eng mit dem Opfer befreundet, und wenn sie bei der Familienkonferenz, von der Sie sprachen, zugegen war, dann wird sie auch einen ordentlichen Batzen des Lösegelds beisteuern. Der Detektiv aus London – wie hieß er doch gleich? Bently? –, der wird sie vor uns warnen, weshalb ich lieber nicht offiziell an sie herantreten möchte. Aber sie dürfte wissen, ob die Tochter einen verflossenen Liebhaber hat oder ob in der Firma jemand im Unfrieden mit der Chefin ausgeschieden ist. Was meinen Sie?«
»Wenn Sie mir die Adresse beschaffen, werde ich sie aufsuchen. Die Angestellten…«
»Ja?«
»Ihre Männer haben sie doch verhört.«
»Selbstverständlich. Bis auf einen jungen amerikanischen Designer frisch von der Kunstakademie arbeiten die Leute alle schon seit Jahren für die Contessa und sind absolut sauber. Nein, in der Firma haben wir keinen Anhaltspunkt gefunden. Wieso reiten Sie so darauf herum? Haben Sie was rausbekommen?«
»Nein, nein… Ich hab ja auch nur einmal, bei meinem ersten Besuch im Palazzo, im Atelier vorbeigeschaut und nach dem Weg gefragt…«
»Wenn Sie meinen, wir hätten was übersehen, dann raus
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