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Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)

Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)

Titel: Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Philip Carter
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abgeblättert war, andere reich mit Gold und Silber verziert. » Er hat ein paar schöne Stücke«, sagte sie.
    Ry wollte eben fragen, wie sich die Sammlung des Professors im Vergleich zu der ihrer Mutter ausnahm, als die Tür aufging und ein kleiner, schmächtiger Mann eintrat, der wie die Vorstellung einer Casting-Agentur von einem Professor im Ruhestand aussah: rote, gepunktete Fliege, Tweedhose und ein Pullover mit Ellbogenflicken.
    Er streckte Ry die Hand entgegen. » Ich bin Professor Kuzmin. Und Sie sind Mr. und Mrs. Carpenter, wenn ich recht verstanden habe.« Sein Englisch war beinahe akzentfrei, aber er sprach langsam und vorsichtig, als fürchtete er sich, auch nur einen Fehler zu machen. » Verzeihen Sie mir, aber ich habe Ihren Wagen gar nicht in die Einfahrt kommen hören.«
    » Wir sind mit der Eisenbahn hier«, sagte Ry.
    » Sie sind den ganzen Weg vom Bahnhof hier heraufgestiegen?« Hellgraue Augen, die Farbe von Zement, musterten sie hinter dicken Brillengläsern hervor, und Ry hatte den Eindruck, dass Denis Kuzmin Menschen beim ersten Treffen einzuschätzen pflegte, um dann selbstzufrieden zu warten, ob sich sein Urteil als richtig erwies.
    Er lächelte und ließ kleine gelbe Zähne sehen, die an Maiskörner erinnerten. » Ach, aber Sie sind beide so jung und fit, und es ist kein allzu kalter Tag für Februar. Wie gefällt Ihnen der Stadtplatz von Szentendre denn? Bezaubernd, nicht?«
    » Eine Spur zu putzig für meinen Geschmack«, sagte Ry, » aber meine Frau war hingerissen. Sie will, dass wir eine Kutschenfahrt im Mondschein machen.«
    Kuzmin lachte. » Wirklich ein sehr romantischer Einfall, Mrs. Carpenter. Aber vielleicht sollten Sie doch auf milderes Wetter warten.« Er zeigte auf ein Sofa und zwei passende Sessel, leider alles mit scheußlich grünem Samt gepolstert. » Sollen wir uns ans Feuer setzen?«
    Ry studierte auf dem Weg dorthin den großen gerahmten Druck, der über dem Kamin hing. Merkwürdiger Wandschmuck für eine Bibliothek, dachte er. Andererseits animierte das Stalin-Plakat auch nicht gerade zu fröhlichen Gedanken.
    » Ich habe das Original in der Tretjakow-Galerie in Moskau hängen sehen«, sagte Ry.
    Kuzmin seufzte beinahe glücklich. Er sah die Gelegenheit für einen seiner Lieblingsvorträge gekommen.
    » Ah ja. Öl auf Leinwand, von Ilja Repin, Iwan der Schreckliche und sein Sohn Iwan am 16. November 1581. Es fängt den Moment ein, nachdem Zar Iwan seinen Sohn und Erben in einem Wutanfall mit einer Eisenstange erschlagen hat. Der Vater kniet auf dem Boden, mit dem blutenden Körper seines Sohns in den Armen. Man sieht den Wahnsinn in seinen blutunterlaufenen Augen, aber auch die furchtbare Erkenntnis, was er getan hat. Im Gegensatz dazu ist das Gesicht des toten Knaben beinahe christusgleich friedlich. Faszinierend, nicht wahr?«
    » Und traurig«, sagte Zoe. Sie nahm eine silbern gerahmte Schwarz-Weiß-Fotografie vom Kaminsims, die einen hageren bärtigen Mann in einem langen schwarzen Gewand zeigte, der vor einer aufgeschlagenen Bibel an einem Schreibtisch saß. » Sie scheinen sich besonders für die eher geistesgestörten Gestalten der russischen Geschichte zu interessieren, Professor.«
    Ein seltsames Lächeln spielte um Professor Kuzmins schmalen Mund. » Dann erkennen Sie den verrückten Mönch also, ja? Grigori Rasputin. Manche Leute behaupten, sein Einfluss auf Zar Nikolaus und dessen Frau Alexandra habe zur bolschewistischen Revolution und zum Sturz der Romanow-Dynastie geführt. Er wurde wahlweise als heiliger Mystiker, Visionär, Heiler und Prophet bezeichnet oder aber als sittlich verkommener religiöser Scharlatan. Vielleicht war er ein wenig von allem, vielleicht…«
    Er unterbrach sich, als die Bibliothekstür aufging und die Haushälterin mit einem Tablett hereinkam, auf dem drei hohe Gläser, eine Kristallkaraffe mit Wasser und eine dickbauchige Flasche mit einer dunkelbraunen, nach Kräutern aussehenden Flüssigkeit standen.
    » Ah, hier ist Mrs. Danko mit einer kleinen Erfrischung. Haben Sie Unicum schon einmal gekostet? Manche bezeichnen es als unseren Nationalschatz, wenngleich man es beim ersten Mal vielleicht ein wenig bitter finden wird.«
    Bitter, weiß Gott. Ry hatte das Zeug bei seinem letzten Besuch in Budapest getrunken. Es roch wie ein Krankenhauszimmer und schmeckte wie Hustenmedizin, und der Kater, den er nach nur zwei Gläsern bekommen hatte, war wirklich bemerkenswert gewesen.
    » Vielleicht später ein Glas Wasser«, sagte Ry, »

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