Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
ihn kommen wie ein Stahlvorhang, der nach unten saust. » Sie werden mich zum Knochenaltar führen, und ich werde ihn verwenden, um meinen Igor zu retten. Ob Sie es freiwillig oder unfreiwillig tun, spielt keine Rolle.«
Zoe spürte Tränen in ihren Augen brennen. Diese Geschichte des langsam sterbenden Igor, der Schmerz in seinen Augen– das alles wirkte echt, aber ihre Großmutter hatte sie gewarnt, niemandem zu trauen. Niemandem. Hüte dich vor den Jägern.
» Wozu brauchen Sie sie?«, fragte Ry. » Sie haben Ihre Lena doch schon dazu gebracht, Sie hinzuführen, als sie Krankenschwester in Norilsk war. Sie wissen, wo der Knochenaltar ist, was hält Sie also davon ab, wieder hinzufahren?«
Popow fuchtelte mit der Hand. » Glauben Sie, ich war nicht Dutzende Male in dieser Höhle seitdem? Eine Lawine hatte den Eingang verschüttet und Lena dazu, und es hat drei Tage gedauert und fünfzig Sträflinge gebraucht, den Schnee beiseitezuräumen, aber die Höhle war noch da, hinter dem gefrorenen Wasserfall, und der Altar aus Menschenknochen war noch in ihr, und unter ihr hat die Quelle geplätschert.«
Er hielt inne, und ein entrückter Blick trat in seine Augen. » Ich war besinnungslos vor Fieber, als sie mich in die Höhle brachte. Der Knochenaltar war in dem Brei, den sie mir zu essen gegeben hat, ein Tropfen, mehr brauchte sie nicht, um mich zu retten, aber ich habe nie gesehen, woher sie ihn hatte. Ich dachte, es müsste von der Quelle sein– wieso hätten sie sonst einen Altar aus Menschenknochen darüber errichtet?«
Er stieß ein raues Lachen aus. » Weiß Gott, ich muss Dutzende von Flaschen von dem Zeug weggeschafft haben. Von der Quelle zuerst, dann von einem Tümpel in der Mitte der Höhle. Von der Quelle und dem Tümpel und von jedem anderen Tropfen Flüssigkeit, der an den Wänden herunterlief oder von der Decke tropfte, und nichts davon hat etwas bewirkt. Ich habe es bei hoffnungslos Kranken und Sterbenden ausprobiert, und hinterher waren sie immer noch hoffnungslos krank und starben. Ich habe es von einem Dutzend Wissenschaftlern untersuchen lassen, und sie sagten alle, es sei nur Wasser. Wasser zwar, das von der Nickelmine verschmutzt war, aber nichtsdestoweniger Wasser. Und Lena…?« Er schnippte mit den Fingern. » Pfft. In Luft aufgelöst, aus einer Höhle verschwunden, deren einziger Ein- und Ausgang tagelang unter einem Berg Schnee begraben gewesen war.«
Er stützte sich auf dem Tisch ab und schob sein Gesicht dicht vor Zoes. » Eins weiß ich also mit Gewissheit. Dieser Altar in Ihrer kleinen Hüter-Höhle, der aus Menschenknochen über einer Quelle errichtet wurde, der Altar, den jeder mit seinen eigenen Augen sieht… dieser Altar ist eine Lüge. Der echte Knochenaltar ist etwas anderes und befindet sich woanders, und Sie verraten mir entweder, wo er ist, oder Sie bringen mich hin. Ihre Entscheidung. Aber das sind die beiden einzigen Wahlmöglichkeiten, die ich Ihnen lasse.«
Zoe sah ihn ruhig an. » Sie können mir überhaupt keine Wahl lassen, und es ändert nichts. Ich weiß nicht, wo er ist. Vielleicht wusste es meine Großmutter Katja, aber die haben Sie fast ihr ganzes Leben lang gejagt und schließlich getötet, bevor sie es mir verraten konnte.«
» Ja, Sie haben recht. Ich habe sie jahrelang gejagt, aber sie war wie ihre Mutter Lena– geschickt darin, aus scheinbar unmöglichen Fallen zu entkommen. Als meine Agenten ihr kleines Mädchen, Anna Larina, in einem Waisenheim in Ohio fanden, war ich mir sicher, dass ich sie hatte, denn sie würde sich nicht ewig von ihrem Kind fernhalten, aber ich habe mich geirrt. All die Jahre habe ich beobachtet und darauf gewartet, dass sie die Tochter aufsuchen würde, die sie verlassen hatte, und Sie, ihre Enkelin treffen würde, aber sie hat es nie getan. Sie war so wachsam und so schlau, bis der Krebs sie am Ende doch unvorsichtig machte. Oder vielleicht wollte sie auch nur unbedingt ihr Wissen an die nächste Hüterin weitergeben, bevor sie starb.«
Er sah Zoe noch eine Weile an, dann richtete er sich auf und schüttelte den Kopf. » Deshalb glaube ich, dass Sie lügen. Mich zum Narren halten. Sie sind jetzt die Hüterin, und Sie wissen, wo der Altar ist, denn die Hüterin weiß immer, wo er ist.«
Er wandte sich ab, als sei er mit ihr fertig, und Vadim, der nichts von der englischen Unterhaltung verstanden hatte, nahm es offenbar als Stichwort, denn er richtete sich auf und sagte: » Jetzt, Pakhan?«
» Ja.«
» Was?«, schrie Zoe.
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