Altar der Ewigkeit: Thriller (German Edition)
wahnsinnig, wie ein Mensch nur sein kann.«
Eine tödliche Wut trat in Popows Augen. Sie hatten die ganze Zeit Englisch gesprochen, aber jetzt sagte er auf Russisch: » Schlag ihn, Vadim. Einmal. Aber so, dass er es spürt.«
Vadim nahm die Zigarette aus dem Mund, warf sie auf den Boden und schlug Ry hart ins Gesicht.
Rys Kopf wurde nach hinten gerissen, Blut spritzte. Er keuchte kurz, dann schüttelte er sich das Haar aus den Augen, spuckte einen Klumpen Blut aus und grinste. » Ist das alles, was du kannst?«
Vadim rieb sich die Knöchel. » Ich weiß, Sie sagten, nur einmal, Pakhan. Aber ich bitte um Erlaubnis, ungehorsam sein zu dürfen.«
Popow schüttelte den Kopf und schnalzte missbilligend mit der Zunge. » Sie erinnern mich an Ihren Vater, Agent O’Malley. Der hatte auch dieses großspurige Auftreten und ein loses Mundwerk. Obwohl, wenn ich jetzt darüber nachdenke, war Mike in der Nacht, in der wir die arme Miss Monroe getötet haben, nicht ganz so großspurig.«
» Sie müssen sich ja richtig toll gefühlt haben in dieser Nacht«, sagte Ry. » Eine Frau zu töten, die halb so groß war wie Sie und noch dazu unter Drogen stand.«
Popow lächelte kaum. » Hat Ihr Vater Ihnen je erzählt, dass er ihre nackten Titten gesehen hat? Sie überstiegen alles, was man sich vorstellen kann.«
Ein halb hysterisches Lachen brach aus Zoe. » Das ist ja krank. Sie sind krank. So, ich habe es gesagt– und was machen Sie jetzt? Lassen Sie mir von Ihrem Gorilla einen Kinnhaken geben? Sie haben einen Präsidenten der Vereinigten Staaten getötet, Sie haben Marilyn Monroe getötet. Sie haben sogar Ihre eigene Tochter getötet, denn Katja Orlowa war Ihre Tochter, und Sie wussten es. Und warum? Damit Sie von dem Knochenaltar trinken können? Aber das haben Sie doch schon. Warum brauchen Sie mehr?«
» Weil er immer noch altert«, sagte Ry. » Viel langsamer als wir alle vielleicht, aber er wird trotzdem alt. Er schaut in den Spiegel und sieht, wie die Krähenfüße sich langsam ausbreiten, sieht, wie die Haut schlaff wird und das Haar zurückgeht, und wenn er immer noch altert, heißt das, er stirbt. Und er will, dass es aufhört.«
» Ach, Gott«, sagte Popow und atmete geräuschvoll aus. Er warf den Kopf in den Nacken, schloss die Augen und brach in ein hohles Gelächter aus. » Sie könnten nicht falscher liegen. Ich will den Knochenaltar nicht für mich selbst. Ich brauche ihn für meinen Enkel, meinen Igor, der dabei ist zu sterben…«
Popow drehte sich mit einer ruckartigen Bewegung zur Seite, als befürchtete er, sie könnten seinen Schmerz sehen und sich daran erfreuen.
» Meine Tochter hat geheiratet und ein Kind bekommen«, fuhr er nach einer Weile fort, ehe er sich unterbrach und gequält lächelte. » Meine legitime Tochter, sollte ich vielleicht sagen. Sie hat jedenfalls einen Sohn, er ist jetzt einundzwanzig. Einundzwanzig! Er hat ASPS , eine sehr seltene und immer tödliche Form von Krebs, wie mir die Ärzte erklärten. Ich wollte es nicht glauben.«
Popow drehte sich wieder zu ihnen um, und die Verzweiflung entstellte sein Gesicht jetzt wie Narben. » Es fing mit einem Tumor in seinem Oberschenkel an. ›Schneidet ihn heraus‹, sagte ich zu den Ärzten, ›nehmt das ganze Bein ab, wenn es sein muss, aber befreit ihn davon.‹ Am Ende nahmen sie ihm tatsächlich das Bein ab, aber der Krebs hatte bereits Metastasen in der Lunge und im Gehirn gebildet. Sie haben ihm höchstens noch ein Jahr gegeben. Das war vor acht Monaten, und inzwischen schluckt er Schmerzmittel wie Bonbons. Er wiegt kaum noch fünfzig Kilo.«
» Das tut mir leid«, sagte Zoe.
» Leid?« Popow erstickte fast an dem Wort. » Ihr Mitleid hat bei der Geschichte nichts zu suchen. Es ist zu armselig. Er ist mein Igor. Mein Igor, und ich liebe ihn mehr als alles auf der Welt, mehr als mein Leben. Wenn ich an seiner Stelle sterben könnte, würde ich es tun.«
» Aber Sie können nicht sterben«, sagte Ry, » deshalb töten Sie stattdessen für ihn.«
» Nichts und niemand sonst zählt, außer meinem Igor. Der Knochenaltar ist die einzige Hoffnung, die er noch hat. Er hat mir bis jetzt hundertzwölf Jahre geschenkt, und ich sehe aus und fühle mich wie ein Mann von vielleicht fünfundfünfzig. Ich war nicht einen Tag krank, seit ich davon getrunken habe, nicht mal ein Schnupfen. Er hat Wunder bei mir bewirkt, und er wird es auch bei Igor tun.«
Popow blickte konzentriert in Zoes Gesicht, und sie sah die Härte und Grausamkeit über
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