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Alte Feinde Thriller

Titel: Alte Feinde Thriller Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Duane Louis
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unten.
    Schließlich wandte er langsam den Kopf ab, und dann kam nichts mehr.
    Zwanzig Minuten später verließ ich das Krankenhaus und machte mich auf den Weg zur Wohnung.
     
    Ich hatte genug.
    Genug von den Tabletten. Genug von den Anrufen. Genug von der Vergangenheit. Ich stellte die Plastikflasche mit den Tabletten zurück in den Arzneischrank,
und nach einem kurzen Moment des Überlegens steckte ich das Vorhängeschloss durch die Metallöse des Schränkchens und ließ es zuschnappen.
    Inzwischen hatte meine Mutter erneut mehrere Male angerufen, doch das war mir egal. Nein, ich würde heute nicht mit meiner Mom und ihrem Freund in Northwood zu Abend essen. Ich würde zu Hause bleiben und ein paar Äpfel, die Erdnussbutter und ein frisches Sixpack verputzen, das ich mir für so eine Gelegenheit gekauft hatte. Damit war ich zwar so gut wie pleite, aber egal.
    Ich hatte genug von der Vergangenheit.
    Die einzig verfügbare Musik im Apartment waren die alten Alben meines Vaters. Meinen CD-Spieler hatte ich woanders deponiert, und das Laufwerk in meinem Laptop war kaputt. Doch die Musik meines Vaters wollte ich nicht hören. Nichts Altes. Nicht jetzt.
    Die einzigen Bücher, die ich besaß, waren muffige alte Krimi-Taschenbücher und Anthologien klassischer Reportagen - die meisten hatte ich in der Kriminalbuchhandlung auf der Chestnut Street gekauft. Normalerweise marschierte ich mit zwanzig Dollar in den Laden, und der Besitzer, Art, verabschiedete mich mit einer kleinen Einkaufstasche voller abgegriffener Taschenbücher. Was ihren Reiz ausmachte? Ganz einfach: Die Romane waren wie kleine Portale in die Vergangenheit. Doch davon hatte ich ja erst mal genug.
    Die Reportagen und Memoiren waren ebenfalls Klassiker: Hunter Thompson. Charles Bukowski. Joan Didion.
John Gregory Dunne. Pete Dexter. Alle aus grauer Vorzeit. Der Journalismus ging eindeutig seinem Ende entgegen.
    Alles um mich herum versank in der Vergangenheit. Alben voller alter Fotos.
    Wie jenes mit den Bildern meines Vaters als Soldat in Vietnam.
     
    Es ist peinlich, wie wenig ich über die Zeit weiß, die mein Vater dort verbracht hat. Ich weiß nur, dass er zweimal dort war. Und dass er sich freiwillig gemeldet hat, um der Einberufung zuvorzukommen - so konnte er sich einen besseren Standort aussuchen. Meine Mutter deutete einmal vage an, dass mein Vater in einem Helikopter das Maschinengewehr bediente und auf LSD durch den Dschungel rannte. Andererseits war sie fest davon überzeugt, mein Vater hätte heimlich eine vietnamesische Familie, die eines Tages, frisch aus Saigon eingetroffen, bei uns aufkreuzen und darauf bestehen würde, in unserem Haus zu wohnen und uns alle Lebensmittel wegzuessen.
    Die Sache mit den Lebensmitteln schien meiner Mutter am meisten Kopfzerbrechen zu bereiten.
    An eine Geschichte aus dem Vietnamkrieg, die mein Vater selbst erzählt hat, kann ich mich noch genau erinnern. Mir war im Keller eine Kakerlake übers Bein gehuscht. Ich war damals etwa fünf Jahre alt, und Kakerlaken jagten mir eine Heidenangst ein. Ich schrie und stürzte nach oben, dabei rannte ich mit meinem
Gesicht direkt gegen den harten Bauch meines Vaters. »Kakerlake! Kakerlake!«, brüllte ich.
    »Hey, immer mit der Ruhe«, meinte mein Dad. »Kakerlaken sind doch harmlos. Im Krieg gab es Skorpione, und wenn du nicht aufgepasst hast, sind sie dir in den Stiefel gekrabbelt. Du hast besser vorher einen Blick reingeworfen, sonst hattest du ein Problem. Ein Typ aus meiner Einheit streifte einen seiner Stiefel über, und plötzlich wurde er ganz blass und fing an zu schreien. Einige Minuten später war er tot.«
    Das war die einzige Geschichte aus Vietnam, die ich kannte.
    Wenn ich jetzt so darüber nachdachte, ging es in unseren längsten Gesprächen - und das könnt ihr als Euphemismus betrachten - um das Sterben und den Tod.
    Meine allerfrühste Erinnerung an meinen Vater war, wie wir beide zu einem nahe gelegenen Swimmingpool unterwegs waren. Ich muss zwei oder drei Jahre alt gewesen sein. Keine Ahnung, wo das war; aus unserer Familie konnte sich keiner einen ein Meter tiefen Kunststoff-Swimmingpool leisten, und schon gar nicht einen Einbaupool.
    Der Pool war mit einer Plane bedeckt, die an den Rändern mit Ziersteinen beschwert war. Offensichtlich kam ich einmal dem Pool zu nahe, denn plötzlich packte mein Vater mich an der Schulter. Nein, sagte er. Wenn du da reinspringst, gibt es plötzlich keinen Mickey mehr.

    Keinen Mickey mehr.
    Die beste Definition

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