Alte Liebe: Roman
in den Garten und helfe Harry. Einfach so, ich muss ja nicht in dieser Erde wühlen wie ein Maulwurf, aber ich kann ein bisschen aufräumen helfen, die Sachen auf den Kompost oder in die Tonne tun, ich kann Harry noch ein Bier bringen, ich – nein. Nicht noch ein Bier. Der trinkt eh schon reichlich. Neulich hat er nicht mal den Witz verstanden, als ich ihm von der ›Weißen Malaise‹ erzählt habe. Hat er nicht verstanden – und als ich ihm sagte, mein Gott, ›Die weiße Massai‹, kennt doch jeder, Bestseller, und diese blöde Tusse wollte ›Die weiße Malaise‹ ausleihen und Christa fragte mich: Lore, haben wir eine weiße Malaise?, und ich erzähl ihm das und er fragt doch tatsächlich: Und, hattet ihr eine? Ich könnte wahnsinnig werden. Dabei ist es eigentlich zum Lachen. Ich lache in letzter Zeit zu selten, ich leuchte auch nicht mehr. Früher hab ich mal geleuchtet. Ich sehe im Spiegel ganz traurige Augen, wie Hannelore Elsner in dieser Reklame: ›Du gefällst mir gar nicht!‹ und dann verschreibt sie sich selbst eine Kur, Vitasprint. Hilft bei mir nicht.
Die weiße Massai. Die weiße Malaise. Muss man auch nicht kennen. Da hat er nichts verpasst.
William Blake. William Blake, was für ein Glück, dass der mir jetzt einfällt, ich bin doch noch nicht total verblödet. ›There are things that are known and there are things that are unknown, and in between there are doors.‹ So hieß das, und danach haben sie sich benannt. Jim Morrison, der wär’s gewesen, ›Riders on the storm‹, was war der Mann schön. Erotisch. Peter Maffay. Der hat es in sechzig Jahren ja nicht mal geschafft, sich diesen Fleck oder diese Warze oder was das ist wegoperieren zu lassen. Udo Jürgens, meinetwegen. Warum nicht Udo Jürgens, der ist gut, aber Peter Maffay. Wahrscheinlich ist der billiger. Angeblich spielt doch Geld keine Rolle?
Was zieh ich bloß an. Was zieh ich da bloß an. Ich muss mir was nähen lassen. Ich habe jetzt Größe 42, da sieht alles von der Stange klumpig aus. Vielleicht mal was Blaues. Ich hatte seit Ewigkeiten nichts Blaues, das stand mir früher mal so gut, blau. Früher. Früher. Ach.
*
»Harry, ich hab dir noch ein Bier mitgebracht.«
»Das ist aber mal nett.«
»Kann ich dir was helfen?«
»Nee. Doch. Das da auf den Kompost, aber nicht den Giersch, der muss in die Tonne, sonst wuchert der da weiter.«
»Das sagst du mir nun seit tausend Jahren. Ist das der Giersch?«
»Ja. Das erklär ich dir auch seit tausend Jahren.«
»Jajaja. Erklär es einfach nicht, sag ja oder nein und fertig. Tut dein Knie weh?«
»Jetzt nicht mehr.«
»Passt dein Anzug noch?«
»Wieso, soll ich im Garten jetzt im Anzug arbeiten?«
»Leipzig, ich rede von Leipzig. Ob dein Anzug noch passt.«
»Ich weiß ja noch nicht mal, ob ich mitfahre.«
»Harry, bitte jetzt ein für alle Mal, ich möchte darüber nicht mehr reden. Es ist unsere Tochter, sie heiratet, wir fahren da hin und aus.«
»Aha. Und aus. Die heiratet ja dauernd.«
»Ich diskutiere das nicht mehr. Hast du noch eine Krawatte?«
»Eine schwarze, von Kögels Beerdigung. Und so eine altmodische breite, silbern.«
»Das geht nicht. Wir müssen …«
»Wir müssen gar nicht, Lore. Seit Jahrzehnten trage ich keine Krawatten, du weißt das, da werde ich für Udo Jürgens auch keine anziehen.«
»Wie kommst du denn jetzt auf Udo Jürgens?«
»Ich denk, der singt da? Nicht, das da ist Giersch. Tonne.«
»Nein, der singt da eben nicht, da singt Peter Maffay.«
»Ist doch alles dasselbe.«
»Da sieht man wieder, dass du keine Ahnung hast. Peter Maffay und Udo Jürgens, das ist wie – wie – Paulo Coelho und – und – Saul Bellow.«
»Was heißt denn das jetzt?«
»Der eine ist Kitsch und der andere kann was … jetzt sag bloß, du weißt nicht, was ich meine.«
»Ich zieh jedenfalls keinen Schlips an, nicht mal wenn Carreras singt.«
»Wenn Carreras mal singen würde.«
»Das ist ja Kultur. Das kennt unsere Tochter nicht.«
»Hör endlich auf mit deinem ewigen Gemecker, ich kann das nicht mehr hören, ich dulde das auch nicht, es macht mich krank, du machst mich krank, alles macht mich krank, ich …«
»Lore! Komm mal her. Nicht weinen. Mein Gott, das war doch ein Spaß. Ich hab’s nicht so gemeint. Jetzt heul nicht, komm, trink einen Schluck Bier.«
»Nicht das alte, gib mir die neue Flasche, ich mag kein Pissbier.«
»Das ist kein Pissbier.«
»Wohl, ganz warm.«
»Was ist denn bloß los mit dir? Immer hast du gesagt, dass
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