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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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Kind. Na was denn? Pubertät ist die Zeit, in der die Eltern echt scheiße werden.«
    »Wenn die Eltern schon scheiße werden, was werden denn dann die Großeltern?«

19 LORE

    Mutter ist tot.
    Am frühen Morgen kam der Anruf. Sie ist eingeschlafen, heute Nacht. Ganz allein. Und ich sitze hier und kann nicht weinen und denke: wie ist das, nach so viel Jahren allein in einem Zimmer, künstlich ernährt, nicht bei Bewusstsein, und dann einschlafen, den letzten Atemzug tun, weiß man, dass es der letzte ist? Kommt noch ein Erkennen, für einen Moment? Hatte sie Angst, hat man Angst? Hätte sie gern einen Menschen neben sich gehabt, hat sie vielleicht gerufen?
    Es ist eine Erlösung, ja. Ein Leben war das nicht mehr. Trotzdem. Das endgültige Aus ist immer etwas ganz Großes, Unfassbares. Wo ist sie jetzt? Ich bin nun niemandes Kind mehr. Niemand mehr da, der mich kennt, wie ich als kleines Mädchen war … Doch, Theo. Mein Bruder, mit dem mich nichts mehr verbindet, jetzt schon gar nichts mehr. Ich werde ihn auf der Beerdigung sehen, in Leipzig wohl hoffentlich nicht, und dann nie wieder. Blutsbande sind nicht das, was man behauptet. Harry – das ist trotz allem der mir nächste Mensch. Ja, Gloria. Natürlich. Und trotzdem. Ich verstehe so vieles an ihr nicht. Ob sie zur Beerdigung kommt, jetzt, ein paar Wochen vor ihrer Hochzeit? Diesen Frank bringt sie ja wohl nicht mit, er hat Mutter gar nicht gekannt. Und Laura – kaum weg, schon kommt sie wieder. So ein trauriger Anlass. Laura war nicht mal mit im Heim, als sie hier war, sie wollte nicht: Die Uroma erkennt mich ja doch nicht.
    Bin ich traurig? Ich bin – leer. Ich denke plötzlich nur noch Gutes über Leni, alles Böse ist wie weggeblasen, nicht mehr wichtig. Sie war ein Mensch, sie hat geliebt, zwei Kinder bekommen, großgezogen, ihren Mann verloren, sie hat einen furchtbaren Krieg überlebt, weitergemacht, sie hatte Kraft, Witz, sie hat Wohnungen eingerichtet, Bilder aufgehängt, mir Bücher gekauft, sie hat genäht, gebügelt, gelacht, geweint, alles vorbei. Alles umsonst. All das füllt unser Leben aus, und letztlich, wozu? Was bleibt?
    Was bleibt. Ja. Ich sollte anders leben. Ich sollte aufhören mit meiner Arbeit, mir nichts mehr vormachen, mit Harry sein, noch etwas mit ihm zusammen tun, was uns beiden Freude macht. Wir haben doch jetzt gar keine Verpflichtungen mehr. Gloria ist versorgt, Laura auch, Mutter ist tot, die Rente ist gut, es gibt nur noch uns zwei.
    Ich hör auf. Ich kündige in der Bibliothek.
    Aber alles der Reihe nach. Erst Mutter. Beerdigung, Auflösung aller Verträge, Organisation, Grab schön machen, dann Hochzeit in Leipzig, dann noch bis Weihnachten weiterarbeiten und zum neuen Jahr ist Schluss. Neues Jahr, neues Leben. Ich sag es Harry nach der Beerdigung. Es wird ihn freuen.
    Wie wird die Beerdigung, was machen wir? Mutter wollte verbrannt werden. Und ja kein Kirchengedöns, hat sie immer gesagt, bloß nichts Frommes. Harry wird reden. Ich kann das nicht. Ich tu immer so, als könnte ich alles und wüsste alles besser, aber das stimmt gar nicht. Ich zwinge mich, ich verlange mir das ab, ich quäle mich durch, auch wenn ich die Dichter vorstelle in der Bibliothek. Ich kann es, weil ich es muss. Harry tut so trottelig und ist dann ganz souverän, wenn es darum geht, eine Rede zu halten. Er stellt sich hin, nüchtern, trocken, ohne Emotionen, macht es einfach und es ist gut. Harry soll reden auf der Beerdigung.
    Da liegt sie jetzt in ihrem Bett. So klein. Eine Hülle, die einmal ein Mensch war. Die Seele, sagt man, wiegt 21 Gramm. Es ist die Luft, die letzte Atemluft, die dem Körper entweicht. 21 Gramm Seele.
    Mama, ich weine um dich. Nun doch.

    *

    »Ich bin zugleich traurig und erleichtert, Harry, verstehst du das?«
    »Und wie. Mir geht es genauso.«
    »Ich bin froh, dass sie es hinter sich hat …«
    »Wir auch. Wir haben es auch hinter uns. Das war doch eine jahrelange Quälerei für uns alle.«
    »… und traurig über all die verpassten Gelegenheiten.«
    »Ihr habt nichts verpasst. Ihr hattet immer Kontakt, heftig oder freundlich, aber ihr habt euer Leben miteinander gehabt. Mutter und Tochter.«
    »Das stimmt, mehr als ich und Gloria.«
    »Leni hat Gloria oft Geld zugesteckt, weißt du das eigentlich?«
    »Natürlich. Sie hat es mir immer irgendwann erzählt. Triumphierend. Ihr kommt ja nicht klar mit dem Kind, aber ich – so in diesem Ton.«
    »Und jetzt heiratet Gloria, und Leni kriegt das alles nicht mehr

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