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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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gehabt? Dass ich stolz und dankbar bin, dass unsere Tochter in eine so wertvolle Familie einheiraten darf? Dass ich zu schätzen weiß, was die Firma Bredow für unsere deutsche Wirtschaft bedeutet? Das hat der alte Herr selbst gesagt, dieser widerliche Herrenreitertyp mit der eiskalten Ausstrahlung, Konsul Bredow. Angenehm, sagte er und gab uns flüchtig die Hand. Während er in seiner Tischrede seine Familie und deren vielhundertjährige Geschichte pries und von den erfolgreichen Geschäften seiner Firma auch in diesen schwierigen Zeiten schwadronierte, als müsste er Aktionäre beruhigen, überlegte ich mir, was ich wohl gerne gesagt hätte.
    Meine Damen und Herren, meine Frau und ich sind das, was man Normalbürger nennt. Wir haben keine Aktiendepots, keine Ländereien, keine Villen und keine Firma. Wir haben unser Auskommen, wir wollen nicht mehr, wir sind zufrieden mit dem, was wir haben. Freilich haben wir unsere politischen Ideale, und die unterscheiden sich sicher von den Ihren. Darum stehen wir den vierhundert Menschen, die in Ihrer Firma nun im Zeichen der Krise entlassen werden, natürlich näher als Ihnen. Wenn sich nun aber unsere Tochter, die wir gemäß unseren Überzeugungen und Werten erzogen haben, entschlossen hat, in Ihre Dynastie einzuheiraten, so möchte ich Sie um eines bitten: Geben Sie ihr nicht das Gefühl, von Ihnen gnädig aufgenommen und zu Ihnen emporgehoben zu werden, sondern sorgen Sie dafür, dass sich für Gloria wirklich ihr Wunsch nach Glück erfüllt. Und ich möchte Sie bitten, dafür zu sorgen, dass unsere Enkelin nicht nur mit den Ihnen wichtigen Werten des Geldes und seiner Macht aufwächst, sondern dass sie außerhalb Ihres Lebenshorizontes Orientierung findet.
    In dieser Runde, meine Damen und Herren, sehe ich trotz des Wohlstandes, der jedem von Ihnen beschieden zu sein scheint, nur mürrische, unzufriedene, ich möchte sagen unglückliche Gesichter. Auf der Koppel vor Ihrer Villa, Herr Schwiegersohn, habe ich nur glückliche, lustige, zufriedene Pferde gesehen. Vielleicht ist es so gesehen nicht verkehrt, wenn ich Sie bitte, meine Tochter und meine Enkelin eher wie diese Pferde als wie Ihre Mitmenschen zu behandeln.

    *

    »Das hätte ich gerne alles gesagt.«
    »Nicht auszudenken.«
    »Du lieber Himmel! Ja. Aber verstehst du, dass es mich wahnsinnig reizt, diese Gesellschaft mal aufzumischen?«
    »Natürlich verstehe ich das. Aber das geht immer nur in Filmen.«
    »Leider hätte man ja etwas zu verlieren: die Gunst der eigenen Tochter, denn wie sollte sie damit umgehen, wenn ihr Vater –«
    »– es ist müßig, Harry. Sie hätten dich gar nicht reden lassen.«
    »Ich hätte auch eine ironische Rede halten können. So nach dem Motto, wie wir einfachen Menschen uns doch darüber freuen, dass unsere Tochter Aufnahme gefunden hat in so erlauchte Kreise, und dass uns das mit Stolz und Dankbarkeit erfüllt.«
    »Ironie! Du glaubst doch nicht, dass diese Leute Ironie verstehen.«
    »Da hast du recht.«
    »Sie nähmen es für bare Münze. Sie würden sich darüber freuen. Und das wäre doch fatal.«
    »Hast du mitbekommen, wie der Alte uns vor seinen erlauchten Gästen aufgewertet hat?«
    »Den Satz habe ich mir wörtlich gemerkt.«
    »Raus damit!«
    »›Hat sich mein durchaus den schönen Künsten aufgeschlossener Sohn Frank nicht von ungefähr eine Lebenspartnerin aus einem der Kultur verpflichteten Hause gewählt, sind doch die Eltern der Auserwählten ein angesehener, renommierter Architekt und die Leiterin einer Stadtbibliothek, die mit den literarischen Größen deutscher Sprache engstens verbunden ist.‹«
    »So ein Arschloch.«
    »Wo hat er das bloß her?«
    »Von Gloria. Sie schämt sich ihrer Herkunft.«
    »Das glaube ich nicht. So ist sie nicht.«
    »Lore, ich halte bei unserer Tochter mittlerweile alles für möglich – jede auch nur denkbare Anpassung. Auch das Nerzjäckchen heute in der Kirche.«
    »Wir haben über zwanzig Grad.«
    »Ja und, das stört die doch nicht. Weißt du noch damals in Rom? Es war März und warm, und die Römerinnen trugen ihre Pelzmäntel spazieren.«
    »Ach Harry, es ist alles so furchtbar.«
    »Ich find’s inzwischen spannend und grotesk. In einer Kutsche zur standesamtlichen Trauung im Schloss. Wann erlebt man so was schon mal. Drei Tage Unterhaltung pur! Ich hab jetzt richtig Spaß daran.«
    »Und du wolltest partout nicht mitfahren.«
    »Nur aus Bequemlichkeit, Lore.«
    »Glaube ich nicht – du hast das alles befürchtet, was

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