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Alte Liebe: Roman

Alte Liebe: Roman

Titel: Alte Liebe: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elke Heidenreich , Bernd Schroeder
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Müller-Leipzig sicher zwei Tage brauche, um den Verkauf der Wohneinheiten verifizieren zu können. Er sagt feriwitzieren. Dann gibt er der Kleinen, die er Prinzessin nennt , den dusseligen Putzivater, der in der bösen Welt draußen Geschäfte machen muss, damit man wieder neue Videospiele kaufen könne. Wir werden Zeugen einer großen Lügengeschichte. Mit Müller-Leipzig vereinbart unser Gegenüber anschließend, dass sie sich morgen zwischen vierzehn und sechzehn Uhr treffen, dass das genüge, denn das Geschäft sei ja so viel wie in trockenen Tüchern. Als ich ihn gerade auf die Ruhezone aufmerksam machen will, führt er das interessanteste Gespräch: Mit einer Dame, die er ›Mäuschen‹ nennt, säuselt er darüber, dass er in knappen zwei Stunden bei ihr sei, sich schon auf ihre Höhle freue, sie in Gedanken jetzt schon überall küsse und sage und schreibe bis morgen dreizehn Uhr für sie Zeit habe. Sehr aufgeregt legt er auf. Lore prustet heraus, lacht laut. Der Vertreter wird rot und rettet sich in ein neues Telefonat. Ich will mir gerade die Telefoniererei verbitten, da klingelt hinter uns ebenfalls ein Handy und jemand führt ein lautes Gespräch über Fußball. Ein Schaffner kommt, will unsere Fahrkarten sehen. Ich sage ihm, dass wir Ruhezone gebucht hätten und er hier erst einmal für Ruhe sorgen möge, ehe er unsere Fahrkarten zu sehen bekomme. Das sei nicht seine Aufgabe, sagt er. Ich weigere mich, ihm die Karten zu zeigen, er geht einfach weiter. Ich habe Wut. Inzwischen teilt ein dritter Telefonierer seinem Freund mit, dass er mit der Tussi jetzt fertig sei, ein für alle Mal, denn wenn die ihn nicht hinlasse und ansonsten aber herumvögele, mache er das nicht mehr mit.
    Lore schlägt vor, dass wir die Ruhezone verlassen und in den Speisewagen gehen. Das tun wir.
    Wir trinken Sekt. Es ist friedlich hier, niemand telefoniert. Der Kellner ist muffig, der Sekt nicht sehr kalt. Ein alter Mann steigt ein. Umständlich verstaut er seinen Koffer, nestelt dann ein Handy hervor, wählt zittrig und teilt Olga mit, dass er jetzt im Zug ist, und zwar im Speisewagen, denn die zweite Klasse sei sehr überfüllt und im Speisewagen, triumphiert er, sei nun einmal keine Zweiklassengesellschaft.
    Dann liest er Olga die Speisekarte vor. Sie scheint die Auswahl zu treffen, so dass er ihr versichert, er werde das Rührei nehmen. Er legt auf. Der Kellner empfiehlt ihm, statt des Rühreis, denn die Eier seien aus, doch den Tafelspitz zu nehmen. O ja, Tafelspitz, das gefällt ihm. Er bestellt und ruft noch einmal Olga an, um ihr mitzuteilen, dass Rührei aus ist, er aber Tafelspitz nimmt. Zufrieden legt er auf, schaut zu uns und sagt, dass er Tafelspitz regelrecht liebe. Könnten wir auch nehmen, sage ich, Lore stimmt zu. Wir bestellen auch Tafelspitz.
    Mit viel Sekt kommen wir darüber hinweg, dass der Tafelspitz ohne Meerrettich serviert wird, denn Meerrettich, so der Kellner, sei aus. Lore hindert mich daran, mich mit ihm anzulegen. Es fällt uns nicht der Name des neuen Bahnchefs ein, was wir dem Sekt zuschreiben. Der alte Mann ist mit dem Tafelspitz sehr zufrieden, denn Meerrettich möge er ohnehin nicht. Seine Zufriedenheit teilt er auch Olga mit. Und die weiß auch den Namen des Bahnchefs: Grube. Wir haben wieder eine Feindfigur.
    In Leipzig, kurz bevor der Zug hält, steht der Vertreter vor mir. Natürlich telefoniert er. Ja, meine kleine Prinzessin, säuselt er, der Pappi kommt jetzt mit dem Zug … ja mit dem Zugi an, und dann geht der Pappi Geschäfte machen und Geldi verdienen. Ja und du meine kleine Prinzessin gehst mit der lieben Mammi in den Zoo zu den Bärlilein, ja. Der Pappi hat dich ganz, ganz, ganz lieb, ja auch die Mammi hat der Pappi ganz, ganz lieb.
    Auf dem Bahnsteig sehen wir, dass der Vertreter von einer Frau empfangen wird, die ihm leidenschaftlich ihre langen Fingernägel in den Rücken gräbt. Wir gehen zum Hotel. Hätte ich das gekonnt, so kalkuliert zu lügen? Nein, so dreist, so platt war es nie, wenn die Sinne mal verrückt gespielt haben. Es war doch immer ein Respekt da für den Menschen, mit dem man lebt.
    Das Hotel ist ein riesengroßer Prachtschuppen, in den letzten zwei Jahrzehnten restauriert, für die gehobene Klientel, den Geldadel konzipiert. Eigentlich hasse ich diese Luxustempel. Schon in der Hotelhalle wird einem klar, es sind russische und deutsche Geschäftsleute, die heute noch das Geld haben, hier abzusteigen.
    Das Zimmer kann man kein Zimmer nennen. Es ist eine Zwei- bis

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