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Alte Meister: Komödie (German Edition)

Alte Meister: Komödie (German Edition)

Titel: Alte Meister: Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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zweiten Himmel entgegenzusetzen, von einer Kathedrale zur andern immer einen noch großartigeren zweiten Himmel, von einem Tempel zum andern immer noch etwas Großartigeres, sagte er, und es ist doch immer nur etwas Stümperhaftes herausgekommen dabei. Ich habe naturgemäß die größten Museen aufgesucht und nicht nur in Europa und habe ihre Inhalte studiert, mit der größten Intensität studiert, glauben Sie mir, und es ist mir bald vorgekommen, als beinhalteten alle diese Museen nichts anderes als die gemalte Hilflosigkeit, die gemalte Unfähigkeit, das gemalte Scheitern, den stümperhaften Teil der Welt, alles in diesen Museen ist ja gescheitert und stümperhaft, sagte er gestern, gleich in was für ein Museum Sie eintreten und anfangen zu betrachten und zu studieren, Sie studieren nur Gescheitertes und Stümperhaftes. Mein Gott, der Prado, sagte er, sicher das bedeutendste Museum der Welt, was die Alten Meister betrifft, aber jedesmal, wenn ich gegenüber im Ritz sitze und meinen Tee trinke, denke ich doch, daß auch der Prado nur Unvollkommenes, Gescheitertes, letzten Endes nur Lächerliches und Dilettantisches enthält. Manche Künstler werden zu gewissen Zeiten, wenn es Mode ist, sagte er, ganz einfach bis zu einer welterregenden Ungeheuerlichkeit aufgeblasen; dann sticht plötzlich ein unbestechlicher Kopf in diese welterregende Ungeheuerlichkeit hinein und diese welterregende Ungeheuerlichkeit zerplatzt und ist nichts, genauso urplötzlich, sagte er. Velázquez, Rembrandt, Giorgione, Bach, Händel, Mozart, Goethe, sagte er, ebenso Pascal, Voltaire, lauter solche aufgeblasenen Ungeheuerlichkeiten. Dieser Stifter , sagte er gestern, den ich selbst immer so ungeheuerlich verehrt habe, daß es schon mehr gewesen war als Kunsthörigkeit, ist doch genauso ein schlechter Schriftsteller bei eingehender Beschäftigung wie Bruckner bei eindringlicherem Hören ein schlechter, wenn nicht gar miserabler Komponist. Stifter schreibt einen fürchterlichen Stil, der noch dazu grammatikalisch unter jeder Kritik ist, genausoist ja auch Bruckner mit seinem chaotisch-wilden, auch noch im hohen Alter religiös-pubertären Notenrausch durchgegangen. Stifter habe ich Jahrzehnte verehrt, ohne mich tatsächlich präzise und radikal mit ihm zu beschäftigen. Als ich mich vor einem Jahr präzise und radikal mit Stifter beschäftigte, traute ich meinen Augen und Ohren nicht. Ein so fehlerhaftes und stümperhaftes Deutsch oder Österreichisch, wie Sie wollen, habe ich vorher in meinem ganzen Geistesleben nicht gelesen bei einem solchen ja heute tatsächlich gerade wegen seiner gestochenen und klaren Prosa berühmten Autor. Stifters Prosa ist alles andere als gestochen und sie ist die unklarste, die ich kenne, sie ist vollgestopft mit schiefen Bildern und falschen und verqueren Gedanken und ich wundere mich wirklich, warum dieser Provinzdilettant, der immerhin Schulrat in Oberösterreich gewesen ist, heute gerade von den Schriftstellern und vor allem von den jüngeren Schriftstellern und nicht von den unbekanntesten und unauffälligsten so hoch geehrt wird. Ich glaube, alle diese Leute haben Stifter niemals wirklich gelesen, sondern immer nur blind verehrt, haben von Stifter immer nur gehört, ihn aber niemals wirklich gelesen, wie ich. Wie ich Stifter wirklich gelesen habe vor einem Jahr, diesen Großmeister der Prosa , als welcher er ja auch bezeichnet wird, war ich mir selber widerwärtig in der Tatsache, diesen stümperhaften Schreiber jemals verehrt, ja geliebt zu haben. Ich habe Stifter in meiner Jugend gelesen und hatte eine auf diesen Leseerlebnissen begründete Erinnerung an ihn. Ich hatte Stifter mit zwölf und mit sechzehn Jahren gelesen, in einem für mich völlig unkritischen Zeitalter. Ich habe danach aber Stifter niemals überprüft. Stifter ist auf den längsten Strecken seiner Prosa ein unerträglicher Schwätzer, er hat einen stümperhaften und, was das Verwerflichste ist, schlampigen Stil und er ist tatsächlich außerdem auch noch der langweiligste und verlogenste Autor, den es in der deutschen Literatur gibt. Stifters Prosa, die als prägnant und präzise und klar bekannt ist, ist in Wirklichkeitverschwommen, hilf- und verantwortungslos und von einer kleinbürgerlichen Sentimentalität und kleinbürgerlichen Unbeholfenheit, daß es einem beim Lesen etwa des Witiko oder der Mappe meines Urgroßvaters den Magen umdreht. Gerade diese Mappe meines Urgroßvaters ist schon in den ersten Zeilen ein stümperhafter Versuch,

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