Alte Meister: Komödie (German Edition)
hängen. Der da an der Wand hängt, ist ja niemals der, den der Maler gemalt hat, sagte Reger gestern. Der an der Wand hängt, ist nicht der, der gelebt hat, sagte er. Natürlich, sagte er, werden Sie sagen, es ist die Ansicht des Künstlers , der das Bild gemalt hat, das stimmt, wenngleich es eine verlogene Ansicht ist, es ist, wenigstens was die Bilder in diesem Museum betrifft, immer nur die katholische Staatsansicht des jeweiligen Künstlers , denn alles, das hier hängt, ist ja nichts anderes, als katholische Staatskunst und dadurch, wie ichsagen muß, eine gemeine Kunst, sie kann so großartig sein, wie sie will, es ist nur eine gemeine katholische Staatskunst. Die sogenannten Alten Meister sind, vor allem, wenn man mehrere nebeneinander betrachtet, also ihre Kunstwerke nebeneinander betrachtet, Verlogenheitsenthusiasten, die sich dem katholischen Staat und das heißt, dem katholischen Staatsgeschmack angebiedert und verkauft haben, so Reger. Insofern haben wir es nur mit einer durch und durch deprimierenden katholischen Kunstgeschichte zu tun, mit einer durch und durch deprimierenden katholischen Malereigeschichte, die ihr Thema immer im Himmel und in der Hölle, aber niemals auf der Erde gefunden und gehabt hat, sagte er. Die Maler haben nicht gemalt, was sie hätten malen müssen, sondern nur, was ihnen aufgetragen worden ist oder was sie zu Geld oder Berühmtheit befördert oder gebracht hat, sagte er. Die Maler, alle diese Alten Meister, vor welchen es mich die meiste Zeit wie vor nichts ekelt und schon immer gegraust hat, sagte er, haben immer nur einem Herren gedient, niemals sich und also der Menschheit selber. Sie malten doch immer eine von ihnen von innen heraus geheuchelte Welt, für die sie sich Geld und Ruhm erhofften; alle haben sie nur in dieser Hinsicht gemalt, aus Geldsucht und aus Ruhmsucht, nicht, weil sie Maler hatten sein wollen, sondern nur, weil sie Ruhm haben wollten oder Geld oder Ruhm und Geld zusammen. In Europa haben sie immer nur einem katholischen Gott in die Hände und an den Kopf gemalt, sagte er, einem katholischen Gott und seinen katholischen Göttern. Jeder wenn auch noch so geniale Pinselstrich dieser sogenannten Alten Meister ist eine Lüge, sagte er. Weltausschmückungsmaler nannte er gestern die im Grunde tatsächlich von ihm Gehaßten, von welchen er gleichzeitig immer und zwar sein ganzes armseliges Leben lang fasziniert gewesen ist. Religionsverlogene Dekorationsgehilfen der europäischen katholischen Herrschaften, nichts anderes sind diese Alten Meister, das sehen Sie in jedem Tupfen, den diese Künstler ungeniert aufihre Leinwände gedrückt haben, mein lieber Atzbacher, sagte er. Sie müssen natürlich sagen, daß es die größte Malkunst ist, sagte er gestern, aber vergessen Sie nicht dabei, auch zu erwähnen oder wenigstens zu denken, wenigstens für sich zu denken, daß es auch die infame Malkunst ist, das Infame dieser Kunst ist gleichzeitig das Religiöse, das ist das Widerwärtige daran. Wenn Sie sich, wie ich vorgestern, eine Stunde lang vor dem Mantegna aufstellen, haben Sie plötzlich Lust, diesen Mantegna von der Wand herunter zu reißen, denn Sie empfinden ihn aufeinmal als eine ganz große gemalte Gemeinheit. Oder wenn Sie eine Zeitlang vor dem Biliverti oder vor dem Campagnola gestanden sind. Diese Leute malten doch nur um ihr Überleben und um Geld und um in den Himmel zu kommen und nicht in die Hölle, vor welcher sie sich ihr ganzes Leben lang wie vor nichts fürchteten, obwohl sie doch sehr gescheite Köpfe, aber doch sehr schwache Charaktere gewesen sind. Die Maler insgesamt haben keinen guten, sie haben sogar immer einen sehr schlechten Charakter, und deshalb im Grunde auch immer einen sehr schlechten Geschmack gehabt, sagte Reger gestern, nicht einen einzigen sogenannten großen Malkünstler oder sagen wir sogenannten Alten Meister finden Sie, der einen guten Charakter und einen guten Geschmack gehabt hatte, und ich verstehe unter einem guten Charakter ganz einfach einen unbestechlichen. Alle diese Künstler als Alte Meister waren bestechlich und dadurch ist mir ihre Kunst so widerwärtig, so Reger. Ich verstehe sie alle und sie sind mir zutiefst widerwärtig. Zuwider ist mir alles, das sie gemalt haben und das hier aufgehängt ist, denke ich oft, sagte er gestern, und ich komme doch seit Jahrzehnten nicht davon ab, es zu studieren. Das ist ja das Fürchterliche, sagte er gestern, daß ich diese Alten Meister als zutiefst widerwärtig empfinde und
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