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Alte Meister: Komödie (German Edition)

Alte Meister: Komödie (German Edition)

Titel: Alte Meister: Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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verantwortungslose Weise und wenn sie sehen, was sie gemacht haben, sind sie erschrocken, so sehen wir doch immer, wenn Kinder geboren werden, nur erschrockene Eltern. Ein Kind machen und ein Leben schenken, wie das so heuchlerisch heißt, ist ja doch nichts anderes, als ein gravierendes Unglück auf die Welt bringen und in die Welt setzen und über dieses gravierende Unglück sind dann alle immer wieder erschrocken. Die Natur hat schon immer aus den Eltern Narren gemacht, sagte er, und aus diesen Narren unglückliche Kinder in finsteren Kindheitslöchern. Ganz ungeniert sagen die Leute, sie haben eine glückliche Kindheit gehabt, während siedoch eine unglückliche gehabt haben, der sie nur unter alleräußerster Anstrengung entkommen sind und sagen aus diesem Grunde, sie hätten eine glückliche Kindheit gehabt, weil sie der Kindheitshölle entkommen sind. Der Kindheit entkommen sein, heißt ja nichts anderes, als der Hölle entkommen zu sein und dann wird gesagt, der und der habe eine glückliche Kindheit gehabt und schont damit seine Erzeuger, die Eltern, die nicht zu schonen sind, sagte er. Zu sagen, man habe eine glückliche Kindheit gehabt und dabei die Eltern schonend, ist ja doch nichts anderes, als eine gesellschaftspolitische Gemeinheit, sagte er. Wir schonen die Eltern, anstatt sie anzuklagen lebenslänglich des Verbrechens der Menschenerzeugung, sagte er gestern. Fünfunddreißig Jahre war ich von den Eltern in das Kindheitsloch eingesperrt gewesen, sagte er. Fünfunddreißig Jahre haben sie mich mit allen ihnen möglichen Mitteln unterdrückt, haben sie mich mit ihren entsetzlichen Methoden gepeinigt. Ich habe nicht die geringste Rücksicht zu nehmen auf meine Eltern, sie verdienen nicht die geringste Rücksicht, sagte er. Sie haben zwei Verbrechen an mir begangen, zwei Schwerstverbrechen, sagte er, sie haben mich erzeugt und sie haben mich unterdrückt, sie haben mich, ohne mich zu fragen, erzeugt und sie haben mich, wie sie mich erzeugt und in die Welt gestürzt hatten, unterdrückt, sie haben das Erzeugungsverbrechen an mir begangen und das Unterdrückungsverbrechen. Und sie haben mich in das finstere Kindheitsloch hineingestoßen mit der größtmöglichen elterlichen Rücksichtslosigkeit. Ich hatte ja, wie Sie wissen, eine Schwester, diese frühverstorbene, sagte er, die den Eltern nur durch ihren frühen Tod entkommen ist, sie hatten die Eltern mit derselben Rücksichtslosigkeit behandelt wie mich, mit ihrem Enttäuschungstrauma haben sie mich und meine Schwester unterdrückt, die Schwester hat es nicht lange ausgehalten, sie ist ihnen plötzlich an einem Apriltag weggestorben, völlig unerwartet, wie das nur bei Halbwüchsigen möglich ist, sie war neunzehn, an dem sogenanntenSekundenherzschlag, müssen Sie wissen, während die Mutter im ersten Stock alles für das Geburtstagsfest meines Vaters hergerichtet hat, hin und her gerannt ist im ersten Stock, um nur ja keinen Geburtstagsfestfehler zu machen, hin und her gerannt ist mit allen möglichen Tellern und Gläsern und Tüchern und Bäckereien und sie mich und meine Schwester beinahe wahnsinnig gemacht hat mit ihrer Geburtstagsfestvorbereitung, von welcher sie schon in aller Frühe besessen gewesen war, unmittelbar nachdem der Vater aus dem Haus gegangen war, hatte die Mutter mit aller nur möglichen Hysterie mit ihrer uns ja schon bekannten Geburtstagsfestraserei angefangen, während sie mich und meine Schwester die Treppen auf und ab und in die Keller und in die verschiedenen Vorhäuser hinaus und hinein und wieder zurück gejagt hat, ununterbrochen darauf bedacht, keinen Fehler zu machen, sie meine Schwester und mich also im ganzen Haushalt hin und her gejagt hat in diese Geburtstagsfestvorbereitungen, habe ich, das erinnere ich mich ganz genau, die ganze Zeit gedacht, ist es nun der achtundfünfzigste oder der neunundfünfzigste Geburtstag unseres Vaters; die ganze Zeit bin ich durch das Haus und durch alle unsere Zimmer gelaufen und habe gedacht, ist es der achtundfünfzigste, ist es der neunundfünfzigste, oder ist es gar der sechzigste, der es aber doch nicht gewesen war, es war der neunundfünfzigste Geburtstag meines Vaters, sagte Reger. Ich hatte den Auftrag, alle Fenster aufzumachen und frische Luft hereinzulassen, schon damals, schon in der Kindheit und in der Jugend habe ich die Zugluft gehaßt und ich mußte auf Befehl unserer Mutter alle Augenblicke alle Fenster aufmachen und die Luft hereinlassen, sagte er, also ich hatte immer

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