Alte Meister: Komödie (German Edition)
desHerzogs von Kent, dann an meine Glasgow-Tante. Übrigens ist der heutige Herzog von Kent mit einer Österreicherin verheiratet, das wissen Sie doch, sagte der Engländer plötzlich zu mir, sagte Reger, einer kurzen Ablenkung zuliebe, um dann gleich darauf zu sagen, daß mit Sicherheit der Tintoretto hier, also der Weißbärtige Mann hier im Kunsthistorischen Museum, eine Fälschung sei. Eine ganz ausgezeichnete Fälschung , sagte der Engländer dann. Ich werde sehr bald herausbekommen, welcher Weißbärtige Mann von Tintoretto nun der echte und welcher der gefälschte ist, sagte der Engländer, sagte Reger, und dann, daß es aber auch durchaus möglich sei, daß beide Weißbärtigen Männer echt sind, also von Tintoretto und echt sind. Nur einem so großen Künstler wie Tintoretto mag es, so der Engländer, so Reger, tatsächlich gelungen sein, ein zweites Gemälde nicht als ein vollkommen gleiches, sondern als vollkommen dasselbe zu malen. Das wäre dann immerhin eine Sensation , sagte der Engländer, sagte Reger, und ging aus dem Bordone-Saal hinaus. Er hat sich nur mit einem kurzen Good bye von mir verabschiedet, mit dem gleichen Good bye auch noch von Irrsigler, der Zeuge der ganzen Szene gewesen war, so Reger zu mir. Wie die Sache ausgegangen ist, weiß ich nicht, sagte Reger, ich habe mich nicht mehr darum gekümmert. Jedenfalls, der Engländer war derjenige, so Reger, der einmal auf der Bordone-Saal-Sitzbank gesessen ist, wie ich in den Bordone-Saal eingetreten bin. Kein anderer. Reger bildet sich die Bordone-Saal-Sitzbank seit über dreißig Jahren ein, er behauptet, daß er nicht ordentlich, das heißt, nicht seinem Kopf entsprechend denken könne, wenn er nicht auf der Bordone-Saal-Sitzbank sitzt. Im Ambassador habe ich sehr gute Gedanken, so Reger immer wieder einmal, auf der Bordone-Saal-Sitzbank im Kunsthistorischen Museum aber habe ich die besseren, zweifellos immer die besten Gedanken, kommt im Ambassador kaum ein sogenanntes philosophisches Denken in Gang, ist es doch auf der Bordone-Saal-Sitzbankeine Selbstverständlichkeit. Im Ambassador denke ich wie jeder andere auch denkt, das Alltägliche und das alltäglich Notwendige, auf der Bordone-Saal-Sitzbank aber denke ich immer mehr das Außergewöhnliche und das Außerordentliche. Beispielsweise sei es ihm im Ambassador nicht möglich, die Sturmsonate in derselben konzentrierten Weise wie auf der Bordone-Saal-Sitzbank zu erläutern und einen Vortrag zu halten wie den über die Kunst der Fuge in allen seinen Tiefen und in allen seinen Besonder- und Absonderheiten, sei ihm im Ambassador völlig unmöglich, dazu fehlt im Ambassador jede Voraussetzung , so Reger. Auf der Bordone-Saal-Sitzbank sei es ihm möglich, selbst die kompliziertesten Gedanken aufzugreifen und zu verfolgen und schließlich zu einem interessanten Ergebnis zusammenzubringen, im Ambassador nicht. Aber das Ambassador hat natürlich eine Reihe von Vorzügen, die das Kunsthistorische Museum nicht hat, sagte Reger, ganz abgesehen davon, daß ich jedesmal von der Toilette im Ambassador begeistert bin, seit diese Toilette kürzlich neugebaut worden ist, wissen Sie, das ist in Wien, wo ja tatsächlich alle Toiletten so verwahrlost sind wie in keiner anderen größeren Stadt Europas, doch eine Seltenheit, eine Toilette vorzufinden, in welcher es einem nicht den Magen umdreht und in welcher man sich nicht die ganze Zeit, während man sich in ihr aufhält, Augen und Nase unbedingt zuhalten muß; die Wiener Toiletten sind insgesamt ein Skandal, selbst auf dem unteren Balkan finden Sie nicht eine einzige solche verwahrloste Toilette, sagte Reger. Wien hat keine Toilettenkultur, sagte er, Wien ist ein einziger Toilettenskandal, selbst in den berühmtesten Hotels der Stadt befinden sich skandalöse Toiletten, die scheußlichsten Aborte finden Sie in Wien, so scheußlich wie in keiner anderen Stadt, wenn Sie Wasser ablassen müssen, erleben Sie Ihr Wunder, sagte er. Wien ist ganz oberflächlich wegen seiner Oper berühmt, aber tatsächlich gefürchtet und verabscheut wegen seiner skandalösen Toiletten. Die Wiener, jadie Österreicher insgesamt, haben keine Toilettenkultur, auf der ganzen Welt finden Sie keine derartig verschmutzten und übelriechenden Aborte, sagte Reger. In Wien auf den Abort gehen zu müssen, ist meistens eine Katastrophe, man macht sich in ihnen, wenn man kein Akrobat ist, schmutzig und der Gestank in ihnen ist so groß, daß er sich oft auf Wochen in den Kleidern festsetzt.
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