Alte Meister: Komödie (German Edition)
gut gelungene, tatsächlich eine nicht nur architektonisch, sondern auch sanitärsoziologisch bis in die kleinsten Einzelheiten hinein perfekte . Tatsächlich sind die Wiener die schmutzigsten Leute in Europa und es ist wissenschaftlich festgestellt, daß der Wiener nur einmal in der Woche ein Stück Seife verwendet, wie es ebenso wissenschaftlich festgestellt ist, daß er seine Unterhosen nur einmal wöchentlich wechselt, wie er seine Hemden auch höchstens zweimal in der Woche wechselt und die meisten Wiener wechseln ihre Bettwäsche nur monatlich einmal, so Reger. Die Socken oder Strümpfe hat der Wiener im Durchschnitt gar zwölf Tage hintereinander an, sagte Reger. So gesehen, machen die Seifenfabrikanten und die Wäscheerzeuger nirgendwo in Europa ein so schlechtes Geschäft wie in Wien und natürlich in ganz Österreich, so Reger. Dafür verbrauchen sie Unmengen von Duftwasser der billigsten Kategorien, sagte Reger, und alle stinken sie schon von weitem penetrant nach Veilchen oder Nelken oder Maiglöckchen oder Buchsbaum. Und es ist natürlich konsequent, von dem äußeren Schmutz der Wiener, auf ihren inneren Schmutz zu schließen, so Reger, und tatsächlich sind die Wiener innen nicht viel weniger schmutzig als außen und möglicherweise, sagte Reger, ich sage möglicherweise,also nicht ganz mit Sicherheit, verbesserte er sich, sind die Wiener innen noch viel schmutziger, als sie außen sind. Alles spricht dafür, daß sie innen noch viel schmutziger sind, als außen. Darüber nachzudenken habe ich aber keine Lust, sagte er dann, das wäre durchaus eine Aufgabe für sogenannte Soziologiker, darüber eine Studie zu schreiben. In dieser Studie müßten wahrscheinlich doch die Wiener als die allerschmutzigsten Menschen Europas beschrieben werden, meinte Reger. Wie froh bin ich, sagte er, daß es im Ambassador eine neugebaute Toilette gibt, im Kunsthistorischen Museum ist es noch immer die alte. Da ich ja immer älter und nicht jünger werde, muß ich in letzter Zeit auch im Kunsthistorischen Museum immer öfter den Abort aufsuchen, sagte Reger, das ist unter den Umständen, die hier immer noch herrschen, jeden Tag eine mir auf die Nerven gehende Unannehmlichkeit, denn der Abort im Kunsthistorischen Museum ist unter aller Kritik. Wie ja auch der Abort im Musikverein unter aller Kritik ist. Ich habe mir sogar einmal den Scherz erlaubt, in eine meiner Kritiken für die Times einfließen zu lassen, daß der Abort im Musikverein, also in dem obersten aller obersten Wiener Musentempel, jeder Beschreibung spottet und daß es mich jedesmal eine Überwindung kostet, in den Musikverein hineinzugehen aus diesem Grunde, aus diesem skandalösen Abortgrund, sagte Reger, und daß ich mir sehr oft zu Hause überlege, ob ich in den Musikverein gehe oder nicht, denn ich muß ja in meinem Alter und mit meinen Nieren wenigstens zweimal während eines Musikvereinsabends auf den Abort. Ich bin aber doch immer wieder in den Musikverein gegangen wegen Mozart und Beethoven, wegen Berg und Schönberg, wegen Bartók und Webern und habe meine Abortangst überwunden. Wie außerordentlich muß die Musik sein, die im Musikverein gespielt wird, sagte Reger, daß ich sogar hingehe, obwohl ich wenigstens zweimal abendlich den Abort des Musikvereins aufsuchen muß. Die Kunst kennt kein Erbarmen, sage ich mir jedesmal, wenn ich inden Musikvereinsabort hineingehe und gehe hinein, sagte Reger. Mit geschlossenen Augen und mit nach Möglichkeit zugehaltener Nase lasse ich im Musikvereinsabort mein Wasser ab, sagte er, das ist eine ganz spezielle Kunst an sich, die ich aber schon längere Zeit virtuos beherrsche. Abgesehen davon, daß die Wiener Toiletten und die Wiener Aborte insgesamt die schmutzigsten auf der Welt sind, die sogenannten Entwicklungsländer ausgenommen, funktioniert in ihnen auch nichts, was das Sanitäre betrifft, entweder es fließt kein Wasser zu, oder es fließt kein Wasser ab, oder es fließt weder zu noch ab, monatelang unter Umständen kümmert sich niemand darum, ob die Toiletten und Aborte funktionieren, sagte Reger. Wahrscheinlich ist dieser entsetzliche Zustand der Wiener Toiletten und überhaupt aller Wiener Aborte nur zu verbessern, indem die Stadt oder der Staat, wer auch immer, die schärfsten Toiletten- und Abortgesetze erläßt, so rigoros scharfe, daß die Hoteliers und die Gastwirte und die Kaffeehausbesitzer ihre Toiletten und Aborte tatsächlich in Ordnung halten müssen. Die Hoteliers und die Gastwirte und die
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