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Alte Meister: Komödie (German Edition)

Alte Meister: Komödie (German Edition)

Titel: Alte Meister: Komödie (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Bernhard
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Überhaupt, sagte Reger, sind die Wiener schmutzig, es gibt keine europäischen Großstädter, die schmutziger sind, wie es ja bekannt ist, daß die schmutzigsten europäischen Wohnungen die Wiener Wohnungen sind, die Wiener Wohnungen sind noch viel schmutziger als die Wiener Toiletten. Die Wiener sagen andauernd, auf dem Balkan ist es so schmutzig, überall hören Sie das Gerede, aber in Wien ist es noch hundertmal schmutziger als auf dem Balkan, so Reger. Wenn Sie mit einem Wiener in seine Wohnung gehen, bleibt Ihnen meistens vor Schmutz der Verstand stehen. Natürlich gibt es Ausnahmen, aber die Regel ist doch, daß die Wiener Wohnungen die schmutzigsten Wohnungen auf der Welt sind. Immer denke ich, was denken sich die Ausländer, wenn sie auf die Toilette gehen müssen in Wien, was denken sich diese Leute, die ja doch saubere Toiletten gewohnt sind, wenn sie in diese schmutzigsten Toiletten von ganz Europa gehen müssen. Die Leute gehen nur schnell ihr Wasser ablassen und kommen entsetzt vor soviel Schmutz im Pissoir zurück. Überall dieser übelstinkende Geruch auch in allen öffentlichen Aborten, gleich, ob Sie auf den Bahnhöfen auf den Abort gehen oder weil es Sie in der Untergrundbahn dazu nötigt, Sie müssen einen der schmutzigsten Aborte von Europa aufsuchen. Auch und vor allem in den Wiener Kaffeehäusern sind die Toiletten so schmutzig, daß es einen ekelt, sagte Reger. Einerseits dieser größenwahnsinnige gigantische Mehlspeisenkult, andererseits diese fürchterlich schmutzigen Toiletten, sagte er. In vielen dieser Toiletten kommt es einem vor, als wäre in ihnen schon jahrelang nicht mehr geputzt worden. Die Kaffeehausbesitzerschützen einerseits ihre Mehlspeisen vor der geringsten Zugluft, was den Mehlspeisen natürlich zugute kommt, legen andererseits aber nicht den geringsten Wert auf die Sauberkeit in ihren Aborten. Wehe, sagte Reger, wenn man einmal bevor man noch mit dem Mehlspeiseessen begonnen hat, auf die Toilette gehen muß in einem dieser zum Großteil doch recht berühmten Kaffeehäuser, da vergeht es einem, wenn man aus der Toilette herauskommt, gründlich, auch nur einen Bissen von der angebotenen oder gar schon servierten Mehlspeise zu essen. Aber auch die Wiener Restaurants sind schmutzig, ich behaupte, sie sind die schmutzigsten in ganz Europa. Alle Augenblicke sind Sie mit einem vollkommen bekleckerten Tischtuch konfrontiert und wenn Sie den Kellner darauf aufmerksam machen, daß das Tischtuch bekleckert ist und Sie nicht die Absicht haben, auf einem von vorn bis hinten bekleckerten Tischtuch Ihre Mahlzeit einzunehmen, wird dieses vollkommen beklekkerte Tischtuch nur widerwillig weggenommen und durch ein neues ersetzt, Sie ziehen, wenn Sie die Entfernung eines schmutzigen Tischtuchs verlangen, doch nur wütende und tatsächlich gemeingefährliche Blicke auf sich. In den meisten Gasthäusern bekommen Sie ja nicht einmal ein Tischtuch auf den Tisch und wenn Sie darum bitten, man möge doch den ärgsten Schmutz von der schmutzigen, sehr oft tatsächlich biernassen Platte wischen, bekommen Sie eine ungezogene Maulerei zu hören, sagte Reger. Die Toilettenfrage und die Tischdeckenfrage sind in Wien nicht gelöst, sagte Reger. In jeder Großstadt der Welt, und ich habe schließlich beinahe alle bereist und die meisten von ihnen mehr als nur oberflächlich kennengelernt, bekommen Sie als Selbstverständlichkeit ein sauberes Tischtuch auf den Tisch, bevor Sie mit Ihrer Mahlzeit anfangen. In Wien ist ein sauberes Tischtuch oder wenigstens eine saubere Tischplatte durchaus keine Selbstverständlichkeit. Und mit den Toiletten verhält es sich genauso, die Wiener Toiletten sind die ekelerregendsten nicht nur in Europa, sondern in derganzen Welt. Was haben Sie vor einem vorzüglichen Essen, wenn Ihnen schon bevor Sie zu essen anfangen, in der Toilette der Appetit vergeht und was haben Sie nach einem vorzüglichen Essen, wenn es Ihnen dann in der Toilette den Magen umdreht, sagte er. Die Wiener haben, wie die Österreicher insgesamt, keine Toilettenkultur, ein österreichischer Abort ist immer eine Katastrophe gewesen, sagte Reger. So berühmt Wien für seine zum Großteil ja wirklich exzellente Küche ist, wenigstens was die Mehlspeisen anlangt, so unrühmlich ist sein Ruf, seine Toiletten betreffend. Das Ambassador hat auch bis vor kurzem noch eine Toilette gehabt, die jeder Beschreibung spottete. Eines Tages hat sich die Direktion aber doch besonnen und eine neue gebaut, eine außerordentlich

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