Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]
Frau Wilke finden?«
»Das weiß ich nicht«, antwortete Sibylle Klinkenberg.
»Junger Mann, fragen Sie doch denjenigen, der diese Frau offenbar kennt«, meinte Lorenz.
»Vielen Dank«, erwiderte Gerster und ersparte sich ein neuerliches Aufstöhnen, welches er eigentlich als fällig empfand. »Gut, dass wir die weitere Vorgehensweise besprechen, ich wäre sonst kaum drauf gekommen.«
»Immer wieder gerne«, grinste Lorenz, die Ironie des Kommissars ignorierend. »War’s das?«
»Für den Moment ja. Kann gut sein, dass wir bald noch einmal auf Sie zurückkommen.«
»Nichts dagegen«, erwiderte Lorenz. »Aber Sie sollten noch nicht gehen. Die Croissants sind nicht übel, wenn sie denn bald mal kommen.«
11. Kapitel
Bärbel stand mit geschultertem Rucksack im Eingangstor der Seniorenresidenz. Als Schutz vor der immer spürbarer brennenden Sonne hatte sie einen breitkrempigen weißen Strohhut aufgesetzt, der einen hübschen Kontrast zu ihrem kupferfarbenen Haar bildete. Lorenz setzte sich eine schmucklose, zerbeulte Kappe auf und wies auf den unbedeckten Schädel seines Freundes Gustav. »Bedecke er sein Haupt, mein Lieber, ansonsten könnte ihm die Sommersonne auch noch das letzte bisschen Verstand austrocknen.«
Gustav winkte ab. »Schon passiert, da besteht keine Gefahr mehr. Wenn ich noch ein wenig Restgrütze hätte, könnte man mich unmöglich zu diesem Wanderding überreden. Lasst uns losgehen, bevor mir klar wird, welchen Weg wir vor uns haben und ich mich auf mein sicheres Zimmer zurückflüchte.«
Lorenz schwang seinen Stock. »Und ich habe mir eben von diesem alten Pharisäer noch Faulheit vorwerfen lassen. Bevor ich mich aus lauter Willensschwäche anschließe und wir uns bei Bärbel einen Einlauf holen, sollten wir tatsächlich aufbrechen.«
»Oh, dann komme ich wohl zur Unzeit?« Lorenz’ Sohn Stephan stand vor ihnen.
»Wie immer«, murmelte Lorenz leise. Laut sagte er: »Das ist aber eine Überraschung. Was führt dich hierher?«
Stephan Bertold lächelte. »Ach, weißt du, mein alter Vater wohnt hier, ich hatte gerade in Nideggen zu tun und dachte, ich könnte mal kurz Hallo sagen.«
»Na, dann: hallo«, erwiderte Lorenz. »Es passt leider gerade in der Tat nicht so gut, wir sind im Aufbruch begriffen. Kleine Wanderung.«
»Das ist schön. Wo soll’s denn hingehen?«
»Felsenrundweg, nach Rath«, antwortete Bärbel.
»Ah ja, Christinenley. Sehr schöne Ecke. Aber von hier bis nach Rath ist der Fußweg doch nicht so spannend. Soll ich euch nicht bis zum Ortsrand fahren?«
Lorenz wollte zuerst reflexartig ablehnen, besann sich dann jedoch: »Gute Idee.«
»Warum nicht?«, meinte auch Gustav.
Nur Bärbel hatte einen Einwand: »Aber Lorenz, möchtest du nicht mit deinem Sohn sprechen? Gustav und ich könnten auch ohne dich eine Runde gehen.«
»Nix da«, brummte Lorenz. »Euch kann man nicht allein lassen.«
»Gut«, lenkte Bärbel ein. »Gegen so viel männlichen Altersstarrsinn komme ich ohnehin nicht an.«
»Nun denn«, meinte Stephan Bertold. »Mein Wagen steht auf dem Parkplatz am Zülpicher Tor.«
Wenig später lenkte Stephan in den Hirtzleyweg ein. Das kleine Sträßlein endete abrupt am Waldrand. Ein Pfad führte in Verlängerung der Straße zwischen dicht stehenden Bäumen hindurch und lud zur Erkundung des Waldes ein. Ein Schild wies auf das hier beginnende Naturschutzgebiet hin.
»Aaaah, geschafft«, stöhnte Lorenz, als er sich aus dem Wagen herausgekämpft hatte und wieder aufrecht stand. »Das ist ja beinahe so anstrengend wie Laufen.«
»Dem alten Knotterbär ist es aber auch überhaupt nicht recht zu machen«, spottete Gustav. »Wie man’s macht, macht man’s verkehrt.«
»Wem sagen Sie das«, seufzte Stephan.
Lorenz murmelte: »Kommissar Wollbrand war dankbar für die Anregungen, aber noch dankbarer war er, dieses Thema jetzt nicht vertiefen zu müssen.«
Er winkte seinem Sohn zum Abschied mit dem Gehstock zu und schritt forsch von dannen. Nach einigen Metern machte der Weg eine Biegung, und Lorenz verschwand zwischen den Bäumen. »Der Schatten ist sehr angenehm!«, hörten ihn die anderen rufen.
»Vielen Dank fürs Bringen«, sagte Bärbel und reichte Stephan Bertold die Hand. Dann fügte sie lächelnd hinzu: »Ihr Vater wird auch noch gesprächiger werden, seien Sie nur geduldig.«
Stephan nickte und erwiderte Bärbels Lächeln unsicher. Dann stieg er in seinen Wagen. Bärbel und Gustav folgten ihrem Freund in den Wald. Sie schlugen ein flottes Tempo an
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