Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]
verstehen.«
»Will ich auch gar nicht«, sagte Paul und stand auf. »Wer ist die Frau, und wo finde ich sie?«
Klara Bullinger überreichte ihm ein Blatt. »Hier stehen alle Informationen drauf. Sei nett zu der Dame und lote aus, was da Sache ist. In der Zwischenzeit telefoniere ich mit den Kollegen in Düren und avisiere dein Kommen, damit du freie Hand hast.«
»Da sollte ich mich wohl bedanken«, sagte Paul bereits im Hinausgehen.
14. Kapitel
Herr Bethge!« Sibylle Klinkenbergs Stimme fräste sich durch den Flur. »Benny!«
»Ja, ich bin hier, Frau Klinkenberg!«, rief Benny dienstbeflissen.
»Haben Sie die Betten mitgebracht? Schwester Inge braucht sofort eines davon in der Reha.«
Benny eilte durch den Gang und betrat das Büro der Heimleiterin, damit sie leiser mit ihm sprechen konnte und ihr durchdringendes Organ weniger nervig einsetzte. Der erste Teil des Plans gelang. Der zweite weniger.
»Benny«, pfiff die Klinkenberg ihn an, als er vor ihr stand. »Das Bett muss in die Reha, aber subito!«
»Bin schon unterwegs.« Benny drehte sich weg.
»Stop!«
Er hielt inne. »Was denn noch?«
»Sofort, und, ich meine damit wirklich sofort, begeben Sie sich auf das Zimmer des verstorbenen Herrn Floto. Seine Familie ist dabei, seine Sachen abzuholen. Sie helfen der Dame.«
»Ja, hat denn die Polizei das Zimmer schon freigegeben?«, fragte Benny. Das hätte er nicht tun sollen.
Wie von einer gewaltigen Sprungfeder angetrieben, schnellte der baumlange Körper der Heimleiterin empor, und ihre Stimme wurde noch schärfer. »Ich höre doch sofort heraus, Sie sind vergiftet von diesem kriminalisierenden Opa Bertold. Solche polizeilichen Erwägungen gehen in diesem Hause, wenn überhaupt, nur die Heimleitung etwas an!«
Benny duckte sich, als könne er die Worte über sich hinwegschießen lassen. »Alles klar, Frau Klinkenberg. Ich eile zu Schwester Inge, bringe ihr das Bett, dann eile ich zum Zimmer vom Floto, helfe Sachen tragen. Subito!«
Und bevor die Klinkenberg noch etwas sagen konnte, rannte er aus dem Büro und schloss vorsichtshalber eilig en passant die Tür.
Als er durch die Gänge der Seniorenresidenz eilte, hatte Benny das Gefühl, dass dieser Tag nicht mehr sein allerbester Freund werden würde. Dieser Eindruck verstärkte sich noch, als sich das Bett beim Transport durch das Haus sperriger als gedacht anstellte und er von Schwester Inge einen Rüffel erhielt, weil sie bereits ungeduldig auf ihn gewartet hatte. So erwartete der junge Pfleger auch nichts Gutes mehr, als er an der Zimmertür des alten Floto anklopfte und eintrat. Doch statt einer griesgrämigen, ältlichen Verwandten traf er in dem Zimmer eine hübsche junge Frau an, die er etwa auf sein eigenes Alter schätzte. Und als sie ihn lächelnd begrüßte, bat Benny den Tag im Stillen kurz um Entschuldigung.
»Hallo. Ich bin Anna.«
»Benny.«
Das Mädchen reichte ihm eine Hand, die sich warm und zart in die seine schmiegte. Der Druck war dennoch fest und entschlossen. »Ich hole die Sachen meines Großvaters ab«, sagte sie. »Hilfst du mir beim Packen?«
»Klaro. Gern.«
Es entstand eine kleine Pause. Benny sah sich im Zimmer nach persönlichen Habseligkeiten des Verstorbenen um und überlegte dabei angestrengt, was er sagen sollte. Dann durchzuckte es ihn heiß, und er spürte, wie er etwas rot wurde. »Ach so, mein Beileid übrigens«, sagte er schnell.
»Schon gut«, meinte Anna Floto leichthin. »Ich war nicht so eng mit meinem Opa.«
»Nicht?«, fragte Benny neugierig.
Anna schüttelte den Kopf. »Kanntest du ihn?«
»Ja klar, ich bin Pfleger hier.«
»Na, dann brauch ich dir wohl nicht zu erklären, dass er nicht der sympathische, liebe Opa war, den man sich so wünschen würde.«
Sie packte ein paar Bücher in einen Karton, der auf dem Tisch stand. Benny nickte wortlos. Da er nicht wusste, was er zu diesem Thema noch sagen sollte, kramte er ein paar Sachen aus dem Kleiderschrank. Dabei betrachtete er Anna Floto, die sich mit dem Bücherregal beschäftigte und ihn gerade nicht ansah, eingehend. Vielleicht war sie doch ein wenig älter als er, Benny schätzte sie bei näherer Betrachtung auf Mitte zwanzig. Sie war schlank und hatte lange Haare, die auffallend tiefschwarz gefärbt waren. Benny ging die üblichen Gruppen seiner Generation durch, die dazu passen mochten – Emos, vielleicht Gothics. Doch ihr Gesicht wirkte dafür weder blass genug noch war sie auffällig geschminkt. Dann fiel ihm ein Button auf, den sie
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