Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]
Sie zu Ihrem perfekten Deutsch kommen?«
»Ich bin in Bonn geboren«, antwortete Lisa Wilke. »Als dieses Dorf noch Hauptstadt Ihres kleinen Staates war. Meine Jugend habe ich in Deutschland verbracht, da meine Eltern im diplomatischen Dienst tätig waren. Nach meinem Studium begann ich für das OSI in Washington zu arbeiten.«
»OSI?«, fragte Paul. »Ist das die Spezialeinheit, die Geister jagt und im Fernsehen von Dan Aykroyd vorgestellt wird?«
»Sie sind ein Spaßvogel. Das Office of Special Investigations ist eine Abteilung des Justizministeriums. Ich ermittle hier in einer internationalen Angelegenheit, selbstverständlich mit Wissen und der Zusage jedweder Unterstützung der deutschen Behörden. Wenn man einmal von der hiesigen Polizei absieht.«
»Nun ja, Sie können kaum erwarten, dass jede Dienststelle in Deutschland Ihren Status kennt. Und Sie sind die letzte Person, mit der ein Mann vor dessen Ermordung lebend zusammen gesehen wurde.«
»Schon gut«, winkte Lisa Wilke ab. »Aber jetzt scheinen Sie im Bilde zu sein, und ich kann gehen, ja? Meine Zeit ist knapp bemessen, und Sie behindern meine Ermittlungen.«
Paul grinste. »Und Sie scheinen nicht zu verstehen, dass auch eine Mitarbeiterin der amerikanischen Justizbehörde in unserem Land eines Mordes verdächtigt werden darf. Und ich würde Sie durchaus davor warnen wollen, meine Ermittlungen zu behindern. Das mag ich mindestens ebenso wenig wie Sie.«
Lisa machte eine Handbewegung, die an die krallenbewehrte Pfote eine Katze erinnern sollte. »Miau.« Dann erwiderte sie Pauls Grinsen. »Der große Löwe hat gut gebrüllt. Lässt er das blonde Mädchen trotzdem gehen? Sie gehört nämlich zu den Guten.«
»Behauptet sie.«
»Miau.«
Paul hob und senkte seine muskulösen Schultern, als sei er schmerzhaft verspannt. »Lernt man das in der – OSI? Erst mal die Krallen zeigen und dann auf Schmusekurs gehen?«
»Ich agiere immer so, wie ich am schnellsten zum Ziel komme. Und mein Ziel ist es momentan, dieses Gebäude sofort verlassen und meine Arbeit weiterführen zu können.«
»Und damit wir das hier schnell abwickeln können, erklären Sie mir doch bitte, was Sie mit dem alten Herrn kurz vor dessen Ermordung zu besprechen hatten. Und mit dem anderen alten Herrn aus derselben Seniorenresidenz.«
»Ach Paul«, sagte Lisa Wilke leise. »Ich darf Sie doch Paul nennen? Das habe ich Ihren Kollegen alles schon erklärt. Floto war ein Kontakt, den ich im Rahmen meiner Ermittlungen aufgesucht habe. Er ist ein Bekannter von Jakob Kratz, der ebenfalls ein wichtiger Zeuge für mich ist. Ich hatte diesbezüglich übrigens Amtshilfe über die Staatsanwaltschaft Aachen beantragt und auch eine Zusage erhalten. Und ich möchte gar nicht erst die formale Erwirkung meiner Immunität betreiben, sondern hoffe auf Ihre Kooperation.«
»Da ich mit den Ermittlungen im Mordfall Floto betraut bin, werden wir wohl kooperieren – Lisa, wenn ich Sie so nennen darf.«
»Bitte gern, wenn wir jetzt endlich gehen könnten?«
»Okay.« Paul stand auf. »Bitte warten Sie noch eine Minute, ich kläre noch die Formalitäten mit dem leitenden Kollegen, dauert nicht lange.« Dann trat er aus dem Raum, vor dessen Tür außen ein uniformierter Beamter postiert war.
»Wo finde ich Hauptkommissar Gerster?«
»Bin schon da«, antwortete Bruno Gerster, der gerade in den Gang einbog. Er reichte Paul die Hand. »Hab schon gehört, Sie nehmen mir den Fall und die Hauptverdächtige weg.« Dabei grinste er, um zu zeigen, dass er damit nicht das geringste Problem hatte.
»Mach ich gar nicht gern«, erwiderte Paul.
Gerster warf einen Blick in den Verhörraum, dann schloss er die Tür. »Ich glaube ohnehin nicht daran, dass diese Amerikanerin den Alten erschlagen hat. Aber trotzdem lügt sie wie gedruckt. Oder besser gesagt, sie macht ihren hübschen Mund nicht auf.«
»Was haben Sie herausgefunden, was ich noch nicht im Bericht nachlesen kann?«, fragte Paul.
»Wir haben das Mobiltelefon des Ermordeten ausgewertet. Der letzte Anruf, wenige Stunden vor dem vermutlichen Todeszeitpunkt, galt einem gewissen Thomas Kellermann. Er ist Stadtrat in Nideggen. Das war der Tote übrigens vor Jahren auch. Habe mit dem Mann gesprochen, er hat ein bestätigtes Alibi. Hat ausgesagt, dass der Floto ihn dringend habe sprechen wollen und nervös gewesen sei, aber Kellermann habe keine Zeit für ein Treffen gehabt. Das ist wenig, aber leider zurzeit unsere beste Spur. Abgesehen von der Lady da
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