Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]
an ihrer Jacke trug. Das Emblem war schwarz, weiß und rot und zeigte zwei wehende Flaggen in einem Kreis.
»Antifa?«, entfuhr es ihm spontan.
Anna sah ihn an und lächelte. »Kennst du die Antifaschistische Aktion?«
»Nicht wirklich. Ich weiß ungefähr, was die Antifa ist. Wundert mich ein bisschen, wenn ich das sagen darf.«
»Was meinst du? Dass ich in der Antifa engagiert bin?«
»Na ja«, meinte Benny und druckste ein wenig herum. »Dein Opa war eher vom anderen Lager, wenn ich das so sagen darf, und es könnte durchaus sein, dass dein Vater auch, also es geht mich wirklich nichts an ...«
»Oh doch, sag es nur, es geht auch dich etwas an, es geht jeden in diesem Scheißland etwas an!« Annas Stimme wurde nun scharf, und sie lächelte nicht mehr. »In meiner Familie gibt es braunes Gesocks, mein Opa war ein alter Nazi, mein Vater ist ein Neonazi, und ich bin froh um jeden, der das zum Kotzen findet!«
»Okay, schon gut. Ich wollte dich nicht aufregen. Ich hab auch was gegen die Braunen. Tut mir leid. Ist bestimmt nicht leicht für dich.«
Anna entspannte sich wieder und fuhr fort, die Kiste zu befüllen. »Stimmt, leicht ist das nicht. Aber seit ich nicht mehr zu Hause wohne, geht’s schon viel besser. Hab mit meinem Alten nix mehr zu tun. Meine Mutter hat mich gebeten, Opas Sachen auszumisten. Schön, dass du mir hilfst.«
»Klar«, grinste Benny, der sehr erleichtert war, dass sie nicht weiter politisieren wollte. Und da er ein Typ war, der eine Gelegenheit beim Schopf zu packen wusste, fügte er hinzu: »Jederzeit gerne. Ich geb dir meine Handynummer, wenn du magst. Falls du noch mal Hilfe brauchst, ruf mich einfach an.«
Dann fiel ihm Opa Bertold ein und was dieser nun tun würde. Und so fragte er: »Du hast nicht zufällig ’ne Ahnung, wer deinem Opa an den Frack wollte?«
»Nee, nicht wirklich. Aber es wird wohl genug Leute gegeben haben, die einem Arschloch von Altnazi gerne eins überziehen wollten.«
»Vielleicht von der Antifa?«, fragte Benny weiter und biss sich gleich auf die Lippen.
Anna lachte laut auf. »Nee, das wüsste ich. Du sagst wohl immer, was du denkst?«
Benny machte ein unglückliches Gesicht. »Ja, leider.«
»Ist schon okay.« Anna kam auf ihn zu und legte ihm eine Hand auf die Schulter. »Das ist nicht das Schlechteste, glaub mir.«
Benny war ein wenig unwohl bei dieser Geste, und er blieb stocksteif stehen. Das Mädchen bemerkte dies und wandte sich mit einem Grinsen ab. »So, ich glaub, ich hab alles. Schnappst du dir die Kiste, dann nehm ich die Klamotten? Die Möbel gehören alle zum Zimmer, hab ich mir sagen lassen.«
»Stimmt«, bestätigte Benny und nahm den Karton mit Flotos Sachen in die Hand. »Bleibt nicht viel übrig, wenn so ein alter Mensch den Abgang macht, was?«
15. Kapitel
Paul betrat den spartanisch eingerichteten Raum, in dem eine Frau allein an einem Tisch saß und gelangweilt mit ihrem Haar spielte. Sie betrachtete den Zwei-Meter-Mann aufmerksam, sagte aber nichts und machte auch keine Anstalten, sich von ihrem Stuhl zu erheben.
Paul trat näher und reichte der Frau die Hand. »Hello«, sagte er. »My Name ist Paul Gedeck and I come from ...«
»Um Gottes Willen, lassen Sie stecken«, sagte die Frau und ergriff schnell seine ausgestreckte Rechte. »Sprechen wir deutsch, bevor Ihrer Zunge etwas Schlimmes geschieht.«
Erleichtert schüttelte Paul ihre Hand und zog seine dann zurück. Während er sich den freien Stuhl zurechtrückte und darauf Platz nahm, wunderte er sich über das völlig akzentfreie Deutsch der Amerikanerin.
»Lisa Wilke«, sagte diese. »Bitte nehmen Sie doch Platz. Aber nein – auf diesem Stuhl sitzt ja immer der mich verhörende Beamte, da lässt sich keiner bitten.«
»Aha«, sagte Paul, der es gewohnt war, in einem Verhörzimmer von seinen Gesprächspartnern angeblafft zu werden. Aber er hatte sich vorgenommen, sehr höflich zu sein. »Frau Wilke«, sagte er. »Ich bitte die Unannehmlichkeiten zu entschuldigen, die Ihnen vielleicht entstanden sind. Meine Dienststelle hat die Ermittlungen in einem Mordfall übernommen, in dem Sie bis dato als Hauptverdächtige gelten. Falls die hiesige Kriminalpolizei einen Verfahrensfehler begangen oder Sie unkorrekt behandelt haben sollte, lassen Sie es mich wissen.«
Lisa Wilke antwortete darauf nichts, sondern sah Paul nur interessiert an.
»So, das scheint nicht der Fall zu sein«, sprach Paul weiter. »Das freut mich. Vielleicht gestatten Sie mir zunächst die Frage, wie
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