Alte Narben - [Kriminalroman aus der Eifel]
Schule. Ich bin doch kein kleines Kind mehr!«
»Da habt ihr’s«, meinte Lorenz. »Die Neugierde der Kinder ist das Wissen der Alten. Das könnt ihr nicht aufhalten wollen.«
»Na gut«, lenkte Paul ein. »Aber untersteh dich, meine Tochter in irgendwelche privaten Ermittlungen hineinzuziehen.«
Rita ergänzte: »Unterstehe dich, überhaupt irgendwelche privaten Ermittlungen anzustellen!«
Lorenz lachte. »Ihr habt Sorgen! Aber vielen Dank, immerhin habt ihr damit zugegeben, dass dieses Thema mit den Morden zusammenhängt. Aber um euch zu beruhigen: Morgen werden wir einen Bekannten von mir, Pfarrer Friesdorf, auf der Burg Vogelsang treffen. Das ist ein schönes Ausflugsziel, wird auch von Schulklassen viel besucht. Und Pfarrer Friesdorf ist Schulseelsorger. Also, da könnten wir doch mit der gar nicht mehr so kleinen Jessica gleich beginnen, oder?«
»Au ja, auf die Burg!«, rief Jessica begeistert aus.
»Aber ich komme mit«, sagte Paul. »Rita hat die Ermittlungen im Griff, da kann ich mir einen freien Montag erlauben. Oder?«
»Klar«, bestätigte Rita. »Ich bin sehr einverstanden. Macht ihr mal einen schönen und vielleicht auch lehrreichen Ausflug. Hauptsache, Opa Bertold überlässt mir die Mörderjagd.«
31. Kapitel
Nun schaut euch mal diese Aussicht an!« Bärbel schaute vom Forum der Ordensburg Vogelsang auf den Urftsee hinunter.
Gustav grinste. »Da stehen wir auf dunkel-historischem Boden, und das Mädel genießt die Aussicht.«
»Das ist durchaus im Sinne des Erfinders«, kommentierte Lorenz. »Dieser Blick ins Tal und auf den See verschafft demjenigen, der hier oben lebt und arbeitet, ein Gefühl der Herrschaft. Und umgekehrt wirkt diese Anlage von unten auch entsprechend.«
»Coolio«, meinte Benny. »Die Nazis waren vielleicht bescheuert, aber die wussten, wie es geht.«
Lorenz nahm Jessica an die Hand. »Da hast du schon ein Beispiel für das, was ich dir auf der Fahrt erzählt habe. Bei unserem Benny siehst du die Wirkung, die die Nazis auf simple Gemüter hatten.«
»Jaja«, jammerte Benny. »Macht mich nur fertig. Ich bin doch selber schuld, wenn ich euch hierhin begleite.«
»Aber nicht doch«, sagte Bärbel und strich dem Pfleger liebevoll durch das Haar. »Wir lieben dich doch, und auch der Opa Bertold weiß, dass du alles andere als dumm bist.«
Benny strahlte. »Das will ich aber auch meinen. Und das kann ich auch beweisen. Ich habe nämlich eine tolle Idee für eine neue Geschichte, die ich schreiben möchte, und die passt sogar hierher.«
»Na, das hat uns gerade noch gefehlt«, spöttelte Gustav. »Wir haben schon von Außerirdischen gehört, die unsere Wissenschaftler mit einem Begrüßungshappen verwechselt haben, und von einem Künstler, dessen Bilder man nur unter dem Licht ferner Sterne betrachten darf. In geschriebener Form gibt’s das aber alles noch nicht. Was erwartet uns jetzt?«
»Pah«, sagte Benny. »Ein wahrer Schriftsteller muss nicht jede Idee gleich in einen Text verarbeiten. Ich warte auf den großen Durchbruch, und den werde ich vielleicht, was sage ich, ganz bestimmt mit dieser neuen Geschichte haben.«
»Na, dann tun wir mal so, als wären wir gespannt«, meinte Paul.
Benny ließ sich nicht mehr aufhalten: »Also folgendermaßen: Wir schreiben das Jahr 1937. Adolf Hitler kommt in den Besitz der heiligen Lanze und fummelt damit herum. Er hat die göttliche Macht nicht im Griff, sie bestraft ihn, indem er einen ungeplanten Zeitsprung macht.«
»Ach, was weißt du denn von der heiligen Lanze?«, grinste Lorenz.
Benny schnitt ihm eine Grimasse und fuhr fort. »Also, der kleine Adolf landet im Jahre 2011. Als Erstes verliert er, weil er ein Trottel ist, die heilige Lanze. Dann kann er in der modernen Zeit nicht Fuß fassen, wird nirgends ernst genommen und landet als krimineller Obdachloser im Knast. Und was ist in den letzten Jahrzehnten passiert? Man hat seit seinem Verschwinden ohne ihn weitergemacht, er wurde als Kultfigur verehrt, jedoch hat man eine cleverere Politik betrieben, den desaströsen Weltkrieg nicht geführt, auch den Dreckscheiß mit der Judenverfolgung und den KZ vermieden, sondern man hat noch heimtückischer und versteckter gemordet undsoweiter. So konnte das Nazi-Deutschland langfristig Bestand haben.«
»Das ist ja eine schreckliche Vorstellung!«, rief Bärbel aus und schlug die Hände vors Gesicht.
»Darauf kannste einen lassen. Da Hitler, stur wie er ist, hartnäckig behauptet, der rechtmäßige Führer zu sein, wird er
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