ALTEA (Sturmflut) (German Edition)
selbst nicht so genau. Es fühlte sich an, als würde mir nun die Kraft fehlen, diese Trotzkämpfe in mir und mit anderen noch länger auszufechten. Ich hatte kaum noch Kraft, um überhaupt etwas zu tun. Ich wieder so lethargisch, wie damals, als ich noch mein altes Leben hatte.
Es verging eine ganze Weile, hauptsächlich in Stille. Keiner von uns schien noch in der Lage, nach dem kurzen Streit zwischen Radu und mir, etwas sagen zu können. Ich hatte mir dieses Wiedersehen ganz anders vorgestellt. In meinem Kopf war es fröhlich. Eine Erleichterung. Doch irgendwie, war es ins Gegenteil verkehrt.
„Schicke Jacke.“ Sagte Veit unerwartet. Ich sah auf und bemerkte, dass sein Blick auf Radu gerichtet war. Ich blickte zu ihm und bemerkte den Unterschied unserer Kleidung. Gry, Veit und ich trugen absolut identische Sachen, nur Radu trug etwas anders. Es sah mehr nach Uniform als nach Alltagskleidung aus. Am Kragen seiner Jacke befand sich ein kleiner, blauer Stern.
„Sind ihnen die schicken Ensembles ausgegangen oder warum darfst du als einziger etwas halbwegs Stilvolles tragen?“ Auf Veits Gesicht machte sich ein neckisches Grinsen breit.
„Wohl kaum. Ich gehöre zum STEA. Das ist eine Untergrundorganisation, die aus der Freiheitsbewegung entstanden ist, der auch Millas Vater angehörte. Wir kooperieren, so gut es irgendwie geht, mit der russischen Armee und sie unterstützen uns. Unsere Mitglieder nehmen hier den Status von Söldnern ein. Deshalb die Uniform.“
„Dein Vater war in einer Freiheitsbewegung?“ Veit sah mich ungläubig an, verlor aber sein Grinsen nicht.
Mist. Mit einem Mal war meine Vater wieder völlig präsent. Ich konnte auch nicht sauer auf Radu sein. Er hatte ihn bestimmt nicht mit Absicht erwähnt und er konnte auch nichts von meinem persönlichen Schwur wissen, meinen Vater aus meinen Gedanken und Motiven zu verbannen.
„Ja.“ Ich presste die Lippen auf einander und suchte nach Worten. Innerlich fühlte ich mich wie ein kleiner Wurm, der versuchte sich aus der Situation zu winden. „Aber es gab sie nicht lange. Sie wurden von der Regierung zerschlagen.“ Gestand ich leise.
„Es waren mutige Männern. Leider wussten sie noch nicht, was wir heute alles wissen. Sie hatten keine Chance.“ Radus Blick wanderte wieder ziellos durch den Raum. Ich wusste nicht genau, ob er mir mit seinen Worten weitere Erklärungen ersparen wollte oder wirklich so empfand.
„Der STEA existiert also wirklich. Ich hatte das für ein Gerücht gehalten.“ Gry senkte den Blick während sie sprach. „Aber naja,... ich dachte auch, die Todesstädte wären nur ein Gerücht.“ Ihr entwich ein leises aber hartes Lachen. Nichts daran war heiter.
„Mit Sicherheit sind nicht alle Informationen, die über uns in Umlauf sind, wahr. Um ganz ehrlich zu sein, haben wir bis jetzt noch gar nichts geschafft. Ich hatte gehofft, das jetzt endlich zu ändern.“ Sagte Radu mit einem Seufzer.
„Freiheit für Europa?“ Veits Blick war so ernst, wie ich ihn noch nie gesehen hatte. „Können wir uns solche Utopien leisten?“ Fragte er mit nüchterner Stimme. Radu warf ihm einen mörderischen Blick zu. Veits Worte versetzten auch mir einen Stich, doch er wusste nicht warum ich hier war. Er wusste ebenso wenig, dass es bereits konkrete Pläne gab. An seiner Stelle hätte ich auch nicht anders gedacht, ich konnte ihn aber auch nicht aufklären. Es gab noch kein endgültiges Wort in dieser Sache. Noch eine gute Viertelstunde, dann würde ich wieder vor Rubinov stehen und Genaueres erfahren.
„Es wird passieren. Du wirst sehen. Das ist keine Utopie.“ Schnauzte Radu verärgert in Veits Richtung.
„Ich mein' ja nur, du hast es selbst gesehen. Europa ist eine verdammte Festung. Es war schwer genug raus zukommen. Wie stellst du dir vor, soll so eine Befreiung ablaufen?“
Radu schwieg, also sprach Veit einfach weiter. „So etwas funktioniert nicht von außen. Europa kann man nur von innen retten.“ Er nahm die Hände aus den Hosentaschen und streckte die Arme weit aus, sichtlich zufrieden mit seiner Darstellung.
„Oder beides.“ Radu sah kurz zu mir und dann wieder zu Veit. „Schließlich sind wir hier und wir kommen von innen. Das ist ein Kampf der bereits seit Jahren läuft. Ich selbst war bei den
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