ALTEA (Sturmflut) (German Edition)
„Also, bringst du mich dann jetzt zurück auf mein Zimmer?“
Eigentlich wollte ich noch nicht zurück. Ich wollte noch Zeit mit ihm verbringen. Egal, auf welche Art. Ich bereute meine Aktion im IT-Lab ein wenig, denn sie hatte mich einiger Stunden mit ihm beraubt.
„Nein, noch nicht.“ Er fing an schelmisch zu grinsen und ich ahnte schon, dass er etwas Ungewöhnliches geplant hatte. „Da wir heute nicht mehr ins IT-Lab müssen, habe ich mir eine kleine „Ersatzaktivität“ überlegt. Es hat zwar nichts mit Tablets oder Simulationen zu tun, vermutlich wird es dir aber trotzdem gefallen.“ Er führte mich aus dem Raum und mich überkam Aufregung. Es war keine Nervosität, sondern freudige Erwartung. Ein Gefühl, das merkwürdig fremd war, da ich es schon lange nicht mehr empfunden hatte.
Ich folge ihm lange und verschlungene Gänge entlang, bis zu einem Fahrstuhl. Auch dieses Mal ging es wieder abwärts, doch noch weiter hinunter als das letzte Mal. Wir mussten nun fast ganz unten sein, denn ich konnte mir nicht vorstellen, dass es noch sehr viel mehr Ebenen unter uns gab. Bevor sich die Fahrstuhltüren wieder öffneten, musste Aljoscha seinen Daumen gegen einen Sensor drücken. Die willkürlichen Sicherheitsvorkehrungen schienen in dieser Militärbasis kein Ende zu nehmen.
Es war ungewöhnlich kühl und dieser Teil des Bunkers schien auch nicht wirklich genutzt zu werden. Es gab gerade einmal Notbeleuchtung und es war auch keine Menschenseele zu sehen. Nicht einmal Soldaten, die Wache hielten. Wir gingen den düsteren Flur entlang und meine Stimmung schlug von freudiger Erwartung in leichte Angst um. Ich konnte mir nicht vorstellen, was hier unten sein sollte, das mich erfreuen würde. Außer vielleicht einem geheimen Ausgang, der mich raus aus diesem Loch und zurück an die Sonne brachte. Aljoscha blieb abrupt stehen und hievte eine Stahltür auf, die scheinbar nicht von allein aufging, oder einfach nicht funktionierte. Der Raum war groß und genau wie der Flur nur schwach beleuchtet. Ich brauchte aber auch kein Licht. Ich konnte bereits riechen, was sich darin befand und meine Augen bestätigten nach wenigen Sekunden diesen Eindruck. Es war ein riesiges Schwimmbecken. Das blassblaue Licht der Notbeleuchtung ließ die Wasseroberfläche schimmern, wie in einer verborgenen Lagune. Ich hatte das Gefühl, mein Herz würde vor Freude und nostalgischen Emotionen anschwellen und platzen. Allein der Anblick gab mir neue Kraft. Das Wasser war in den vergangenen Wochen nicht immer mein Freund gewesen, aber es hatte mir auch das Leben gerettet. Es war einfach ein Teil von mir.
„Woher…?“ Ich brachte nicht einmal die Frage zu Ende, so aufgeregt war ich.
„Frag besser nicht.“ Ich wandte meinen Blick zu ihm, konnte mich aber nicht vollkommen vom Anblick des Beckens lösen. „Ich habe dich beobachtet. Das war mein Job. Ich hoffe du bist nicht böse, dass ich diese Information jetzt benutzt habe. Ich wollte dir damit nur eine Freude machen.“ Ich sah ihn an, immer noch ziemlich sprachlos. Sein Lächeln wurde zu einem breiten Grinsen. „Und sie mal an, wer da tatsächlich lächelt.“ Für eine Sekunde war ich irritiert von seinen Worten, dann wurde mir bewusst, ich lächelte tatsächlich. „Nun kann ich ja glücklich sterben, denn ich habe ein wahres Wunder vollbracht. Milla Kovasana lächelt doch tatsächlich!“ In jedem seiner Worte hörte man seine ehrliche Freude darüber und ich musste sogar noch ein kleines bisschen mehr lächeln. Es fühlte sich etwas fremd an, denn es war lange her, dass ich völlig unbeschwert und frei von anderen Gedanken, gelächelt hatte. Wirklich lange. Mein Leben hatte mir dazu einfach keine Gründe mehr gegeben. Alles war nur noch ein Kampf. Jeder Tag war Krieg und Emotionen hatten keinen Platz, wenn man überleben wollte. Alles wurde dann unweigerlich zu einem Spiel der Instinkte.
„Du kannst dich da hinten umzieh-„
Ich folgte seinem Fingerzeig gar nicht und noch während er sprach, zog ich mich bis auf die Unterwäsche aus und sprang einfach ins Wasser. Ich konnte keinen Augenblick mehr länger warten. Sowie ich abgetaucht war, wurde ich eins mit dem Wasser und die Welt um mich herum verschwand einfach. Ich fing an zu schwimmen. Keine Bahnen. Nicht einmal in eine bestimmte Richtung. Ich genoss es einfach von meinem Element umgeben zu sein. Ich wusste gar nicht, wie viel Zeit vergangen war, bevor ich
Weitere Kostenlose Bücher