ALTEA (Sturmflut) (German Edition)
erst wieder wahrnahm, wo ich war und dass ich nicht allein war. Ich sah mich um und bemerkte Aljoscha am Beckenrand. Er hockte dort und beobachtete mich sichtlich amüsiert. In diesem merkwürdigen Karbonanzug, war er bei der schwachen Beleuchtung kaum zu sehen. Ich schwamm ein Stück zu ihm rüber und beobachtete, wie das schwache Licht, leicht auf dem Material schimmerte.
„Was ist das eigentlich, was du da trägst?“ Fragte ich neugierig.
„Mein Arzt.“
„…Ich verstehe nicht.“ Für einen Moment glaubte ich, mich verhört zu haben und schwamm noch ein Stück näher.
„Das ist feinste Nanotechnologie. Dieser Anzug behandelt meine verbrannte Haut und ersetzt sie im Moment auch gleichzeitig.“
Das Konzept der Nanotechnologie war mir nicht fremd, doch diese Art der Nutzung erstaunte mich. Aljoscha hatte bereits erwähnt, dass in den vergangenen Jahrzehnten in Russland, vor allem auf dem Feld der Medizin, sehr große Fortschritte gemacht wurden. Es war wohl nur eine von vielen Finessen, die dazugehörten.
„Du kannst also nicht zu mir ins Wasser kommen?“
„Ich kann schon. Der Anzug wiegt nur ganz schön was und ich denke, es würde in Arbeit ausarten, mich an der Wasseroberfläche zu halten.“
Ich musste wieder etwas lächeln und verstecke es unter der Wasseroberfläche. Es war immer so leicht mit ihm zu reden. Er ließ mich alles andere vergessen. Früher hatte ich mich dagegen gewehrt. Es erschien mir sinnlos mich über Belanglosigkeiten zu unterhalten. Es zählten immer nur die Fakten. Das hier und jetzt. Der nächste Schritt. Doch langsam verstand ich, dass es auch einen Nutzen hatte, diese Dinge einmal loszulassen. Es streichelte mein Seelenheil.
„Kann ich dich etwas fragen?“ Sagte Aljoscha.
Ich tauchte mit dem Kopf wieder ganz auf und wischte mir das restliche Wasser vom Gesicht. Ich hatte nicht damit gerechnet, dass er mich etwas fragen wollte und davor sogar noch um meine Erlaubnis bat. Ich nickte nur. „Hatten deine Fragen gestern zufällig etwas mit deinem Stiefbruder zu tun?“ Seine Stimme wurde ein wenig ernster doch sein Lächeln blieb an Ort und Stelle. Ich hatte bereits befürchtet, er würde früher oder später danach fragen.
„Ja. Er hält es für keine gute Idee, dass ich dir so viel Vertrauen schenke.“ Dieser Satz war die Untertreibung des Jahrhunderts, doch die Wahrheit war einfach zu hässlich.
„Das hab‘ ich mir schon gedacht. Es war nicht zu übersehen, dass er nicht gerade zu meinen Befürwortern gehört.“
„Du darfst das nicht persönlich nehmen. Er hat seine Sicht der Dinge und er nimmt das, was er tut, sehr ernst. Dazu gehört es eben auch mich zu beschützen.“ Der Gedanke an Radu machte mich wieder etwas traurig. Ich musste einen Weg finden diese Sache aus der Welt zu schaffen, ihm aber auch begreiflich zu machen, dass ich meine eigenen Entscheidungen traf.
„Ihr steht einander sehr nahe.“ Es war keine Frage, sondern vielmehr eine Feststellung von Aljoscha.
„Er war für mich da. Vor allem nach dem Tod meiner Mutter. In meinen Augen ist er nicht einfach nur mein Stiefbruder. Er ist mein Bruder. Er ist meine Familie. Dass wir nicht das gleiche Blut haben, spielt für mich keine Rolle.“ Kaum hatte ich die Worte ausgesprochen, kam ich mir albern vor. Ich hatte noch nie so offen mit jemandem darüber gesprochen, wie ich für Radu empfand. Auch der Tod meiner Mutter ging mir sonst nicht in Gegenwart anderer Menschen über die Lippen. Es war wie ein Geheimnis, für das es keinen rationalen Grund gab. Wenn wir schon mit offenen Karten spielten, dann wollte auch ich eine Frage stellen, die mich bereits länger beschäftigte.
„Was ist mit dir und Anna? Ihr steht einander auch sehr nah.“ Aljoscha verzog den Mundwinkel ein wenig, als hätte ich es unglücklicher nicht ausdrücken können.
„Mehr oder weniger… Wir standen uns mal sehr nahe, aber mittlerweile sind wir einfach nur Freunde. Das ist besser für alle.“
Ich kam zum Beckenrand und schaute zu ihm hoch.
„Ich verstehe das nicht. Wie meinst du das? Und was bedeutet ‚besser für alle‘?“ Er starrte für einen Moment an die Decke und holte tief Luft.
„… Wir waren einmal ein Paar, aber es hielt nicht
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