Altenberger Requiem
reingelegt. Sie hat behauptet, mal hinter die Büsche zu müssen … Und da hat sie einen Ast genommen und zugeschlagen … Und da fiel die Pistole auf den Boden … und dann hat sie geschossen …«
Sie atmete schwer. Ich lauschte. War da schon ein Martinshorn in der Ferne zu hören? In mir wummerte die Panik. Wo war die Beretta? Die Weißenburg musste sie mitgenommen haben.
»Remi … Sie war es. Und sie wollte mich tatsächlich abknallen. Sie hat gesagt: ›Meinst du, ich lasse mir von euch meine Zukunft kaputt machen?‹ … Sie fliegt weg. Irgendwohin, in die Karibik oder so. Die kriegen wir nicht mehr … Hoffentlich können wir wenigstens beweisen, dass sie es war …«
»Dass sie auf dich geschossen hat, spricht ja eine deutliche Sprache.«
»Die kriegen wir nicht mehr«, flüsterte sie wieder, die Augen geschlossen. »Die fliegt weg … und die kriegen … wir … nicht… mehr …«
»Aber schau, was ich hier habe«, sagte ich und griff in die Innentasche meiner Jacke.
Mit letzter Kraft schlug sie die Augen auf. Es dauerte lange, bis sie begriffen hatte, was ich in der Hand hielt.
Der Schmerz in meinem Inneren wütete mit immer größerer Gewalt.
Nicht schon wieder, dachte ich. Schon einmal war am Ende eines Falles ein Mädchen gestorben, das ich sehr gemocht hatte. Nicht schon wieder.
»Blödmann …«, flüsterte Wonne. »Die Weißenburg hat genug Geld, um sich ein neues Ticket zu kaufen.«
»Das wird ihr aber nichts nützen«, sagte ich und versuchte krampfhaft, mir meine Panik nicht anmerken zu lassen. Ich griff noch mal in die Tasche und entnahm ihr etwas Dunkelrotes. Der Anblick schien Wonne neue Energie zu geben.
»Du hast… ihr … den Reisepass … ?«
»Und den Personalausweis auch gleich«, fügte ich hinzu und schwenkte das Plastikkärtchen. »Und die Kreditkarten. Aus ihrer Handtasche. Wo ich schon mal dabei war.«
Ein Martinshorn. Immer näher. Beängstigend laut. Schreiend. Sekunden später bremste neben mir der Notarztwagen.
Wonnes Augen waren wieder geschlossen.
Sie schwieg.
Und lächelte.
26. Kapitel
»Wir haben sie«, sagte Hauptkommissar Kotten, als er in das enge Vernehmungszimmer trat. Routiniert quetschte er sich an dem Tisch vorbei.
»Wo haben Sie sie gekriegt?«
»Sie stand plötzlich auf dem Köln-Bonner Flughafen, die Pistole in der Hand. Als die Wachleute auf sie zugingen, versuchte sie, sich eine Kugel in den Kopf zu schießen. Aber man hat sie in letzter Sekunde entwaffnen können. Die Kollegen bringen sie gerade her.«
Er schob mir einen Stapel Papiere hin. Ich brauchte gar nicht hinzusehen, um zu wissen, was es war. Mein Vernehmungsprotokoll. Seit drei Stunden befand ich mich in der Gladbacher Polizeidienststelle. Immer noch mit dreckigen Hosen und nassen Füßen.
Kotten setzte sich. Auf seiner Stirn glänzten Schweißperlen. »Und ich denke, jetzt kommt alles auf Sie an, Herr Rott.«
»Auf einmal?«
»Nun kommen Sie schon.« Er hob die Hände. »Ich gebe zu, ich habe Sie unterschätzt.«
»Aber Sie haben doch meine Aussage. Wenn Sie sie genau lesen, werden Sie sehen, dass alles zusammenpasst.«
Kotten nickte und betrachtete dabei nachdenklich die Tischplatte. »Sicher tut es das. Aber ein Windstoß, und alles bricht zusammen wie ein Kartenhaus. Wir brauchen das Geständnis von Frau Weißenburg. Sonst kommt der Staatsanwalt damit nie durch.«
»Vernehmen Sie sie. Sie wird zusammenbrechen.«
Er sah mich an. »Glauben Sie das wirklich?«
»Nein. Die ist mit allen Wassern gewaschen.«
»Nun ist es aber so, dass sie ein Geständnis ablegen will.«
»Tatsächlich?«
»Tatsächlich.«
Ich seufzte. Eine furchtbare Müdigkeit hatte mich erfasst. In mir wütete immer noch der Schmerz, die Angst um Wonne, aber anscheinend hatte sich mein Körper nun in Erschöpfung geflüchtet, um das alles zu ertragen. Seit der Notarzt ihren ohnmächtigen Körper weggeschafft hatte, war ich ohne Nachricht.
»Sie will mit Ihnen reden«, holte mich Kotten aus meinen Gedanken.
»Wer?«
»Die Bundeskanzlerin. Mensch, Rott - Hermine Weißenburg natürlich. Sie hat gesagt, wir kriegen ein Geständnis. Aber nur Ihnen gegenüber.«
Ich blickte auf. »Und was verschafft mir die Ehre?«
»Was weiß ich? Wahrscheinlich haben Sie sie irgendwie beeindruckt. Also, Rott: Wie ich schon sagte. Jetzt kommt es auf Sie an.«
Ich bat Kotten, wegen Wonnes Zustand nachzuhören. Dann betrat ich das Vernehmungszimmer.
Hermine Weißenburg hatte ein spöttisches Lächeln auf den Lippen
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