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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Minute vor dem Termin fuhren wir den Hang zur Kreispolizeibehörde hinauf. Ich kannte den Laden besser, als mir lieb war. Mein Job brachte es mit sich, dass ich hin und wieder von der Polizei falsch eingeschätzt wurde und sogar gelegentlich in Verdacht geriet. Dagegen war das hier eine Lappalie. Trotzdem verfolgte ich mit immer größerer Ungeduld, wie Wonne die Fingerabdrücke abgenommen wurden. Nach gefühlten drei Stunden brachte uns ein Uniformierter in einen winzigen Besprechungsraum, in dem man sich die Kante des Schreibtischs in die Leiste rammte, wenn man sich von einer Ecke zur anderen bewegte.
    Wir klemmten uns auf Bürostühle, von denen es genau drei gab. Der dritte blieb leer. Hinter dem Fenster war ein Stück dunkelblauer Himmel zu sehen. Die Nacht kam.
    »Danke, dass du dich für mich eingesetzt hast«, sagte Wonne und rieb ihre Finger aneinander. Man sah immer noch die Spuren der Abdrucktinte.
    »Hab ich das?«
    »Na ja, als ich vorhin zugeben musste, dass die Aufgabe in Tente gar nicht auf der Liste stand … Du weißt schon. Du hättest dich ja auch einfach raushalten können. Das hast du aber nicht getan.«
    Ich wollte gerade etwas sagen, da öffnete sich die Tür, und Kotten kam herein.
    Er hatte keine Probleme, sich in den dritten Stuhl zu klemmen. Offenbar besaß er Routine darin. Sorgfältig legte er die Hände übereinander, als sei das irgendwie wichtig, und sah uns an.
    »Frau Freier, Herr Rott…«
    Wir sagten nichts. Nickten nur wie Schulkinder, denen eine Standpauke gehalten werden soll.
    »Ich ermahne Sie dringend, von weiteren Einmischungen in unsere Arbeit abzusehen. Natürlich haben Sie richtig gehandelt, als Sie uns den Fund der Leiche gemeldet haben. Aber was danach passiert ist, überschreitet eindeutig Ihre Kompetenzen.«
    Wir nahmen die angebotene Rolle von Schulkindern mit schlechtem Gewissen an und nickten weiter brav.
    »Dass Sie, Frau Freier, eigenmächtig die Tasche der Toten geöffnet und nach Unterlagen über ihre Identität gesucht haben, hat uns den Job nur erschwert. Sie haben damit niemandem einen Gefallen getan.«
    Wieder Nicken, den Blick auf den Tisch gesenkt.
    Kotten seufzte. »Also gut«, sagte er. »Sie können gehen. Um die Fingerabdrücke abzugleichen, haben wir jetzt alles, was wir brauchen. Aber …«Er machte eine bedeutungsvolle Pause. »Herr Rott?«
    »Ja?«
    »Ihnen ist hoffentlich klar, dass wir Sie im Auge behalten. Sie haben uns schon in der Vergangenheit eine Menge Ärger gemacht.«
    Und ich habe eine Menge Fälle gelöst, wollte ich hinzufügen, sah aber nur erneut demütig drein.
    »Also gut, gehen Sie.«
    Als wir aufstehen wollten, gab es ein wenig Gehedder. Der Raum neben dem Tisch war zu schmal, als dass man sich gleichzeitig erheben und zur Tür gehen konnte.
    Kotten sah es und gab uns einen Tipp: »Wir machen es immer so, dass zuerst der rausgeht, der der Tür am nächsten sitzt.«
    Also ging er selbst, dann ich, dann Wonne.
    Draußen empfing uns Dunkelheit und milde frühsommerliche Luft.
    Schon als wir in die Straße einbogen, die zu Juttas Feier führte, sahen wir flackernden Lichtschein. Und wir hörten laute Musik. Jemand sang sehr hoch, sehr schmetternd und sehr schräg zur Bandbegleitung.
    Kurz vor der zum Parkplatz umfunktionierten Wiese konnten wir genauer erkennen, was los war. Jutta hatte Fackeln in den Boden gesteckt. Sie bildeten einen Kreis um das ganze Geschehen und beleuchteten die Szenerie gespenstisch. Vor dem Haus spielte die Band und begleitete einen Solosänger, der mir irgendwie bekannt vorkam. Ich kniff die Augen zusammen und erkannte Mathisen - offensichtlich sturzbetrunken. Die anderen Gäste standen, von den Flammen flackernd angestrahlt, herum und unterhielten sich oder aßen. Drei oder vier hatten sich direkt vor der improvisierten Bühne eingefunden und betrachteten Mathisen fasziniert. Jetzt erkannte ich auch das Lied. Es war »O sole mio«.
    »Der könnte ja glatt einer der drei Tenöre sein«, sagte ich. Die Stimme klang wirklich ausgebildet. Allerdings hatte Mathisen sie wegen seiner Trunkenheit nicht so ganz im Griff.
    »Er war mal ein bekannter Tenor«, sagte Wonne. Ohne uns abzusprechen, waren wir im Wagen sitzen geblieben und schauten zu der Party hinüber, an der wir keinen Anteil hatten. »Heute hat er eine Künstleragentur. Mit seiner Frau Hermine Weißenburg zusammen.«
    »Jutta hat mir davon erzählt«, sagte ich. Das war genau die Kategorie von Leuten, die Jutta kannte. Sie trieb sich auch gern auf

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