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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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etwa nicht?«
    »Du solltest dich ein bisschen loyaler verhalten.«
    Ich fasste es nicht. Jutta war eifersüchtig. Das hatte ich noch nie erlebt. Und mit einem Mal wurde mir das alles zu viel. Ich ging los.
    »Wo willst du hin?«
    »Zu meinem Auto.«
    »Du willst fahren?«
    Ich fand in der Tasche meinen Autoschlüssel, drückte auf den Knopf, und die gelben Blinker zwinkerten den Fackeln drüben zweimal zu.
    »Meid dich, wenn du dich wieder eingekriegt hast.«
    »Remi, so hab ich das doch nicht gemeint.«
    Ich antwortete ihr nicht. Sonst legten Frauen immer solche Abgänge hin. Allen voran Jutta. Aber was sie konnte, konnte ich schon lange.
    Es war mir klar, dass es die Enttäuschung über Wonnes plötzlichen Abschied war, der ich Luft machen musste. Ich fuhr los und sah nicht in den Rückspiegel. Der Wagen rollte zur Abzweigung. Als ich dort anhielt, empfand ich es als Erleichterung, der Veranstaltung entronnen zu sein.
    Doch über Wonne wusste ich gar nichts.
    Nichts bis auf den Nachnamen.
    Ich hatte keine Adresse. Keine Telefonnummer.
    Ich bog ab, rauf in Richtung Norden. Es war vorbei.
    Und mein Job wartete.
    Zeit, mal wieder nach Mannis Haus zu sehen.
    Ich fuhr durch die Dunkelheit, und für einen Moment hatte ich blitzartig das Gefühl, Wonnes Nussschale rechts in einer Einfahrt zu sehen. Ich sah noch mal genau hin, doch da war ich schon vorbei.
    Und es war natürlich Unsinn. Warum sollte sie hier mit ihrer Knutschkugel herumstehen?
    Ein Stück weiter musste ich an einer Ampel halten. Eine Gruppe junger Leute sammelte sich am Fußgängerübergang. Eines der Mädchen sah Wonne so ähnlich, dass ich den Reflex, auszusteigen und zu ihr zu laufen, nur mühsam unterdrücken konnte.
    Die Sehnsucht treibt seltsame Blüten, dachte ich.
    Zurück in Mannis Haus, das mich unversehrt empfing, holte ich eine Flasche Whisky aus der Bar und schmiss den Computer an.
    Dass eine Yvonne Freier weder in Köln noch in den Städten drum herum im Telefonbuch verzeichnet war, fand ich innerhalb von drei Minuten heraus. Um den Jack Daniels zu leeren nahm ich mir etwas mehr Zeit.

8. Kapitel
    Ein leises Klickern stahl sich in einen Traum, in dem ich mit Wonne durch das Bergische Land fuhr und plötzlich an einem Bahnhof stand.
    Eigentlich war es kaum mehr als ein asphaltierter Bahnsteig mit einer dieser schwarz-weißen Bahnuhren. Der Sekundenzeiger tickte über das Zifferblatt. Wonnes Haar glänzte fast unnatürlich golden, und ihr Gesicht veränderte sich, ohne dass mich das erschreckt hätte. Auf einmal sah sie aus wie Gabi Winkelrath - ein Mädchen aus der Parallelklasse, das ich irgendwann Mitte der Siebziger geküsst hatte. Gabi war die Erste gewesen, die es zuließ, dass ich ihre Brüste berührte. Natürlich nur durch den Stoff, aber ich erinnerte mich genau, wie aufregend es war, diese eigenartige Weichheit zu entdecken.
    Erneut klickerte es. Wonne, die jetzt wieder sie selbst war, lächelte mich an und deutete in Richtung eines Gebäudes. Dort, an dem verfallenen Wartehäuschen, stand ein kleiner dunkelhaariger Junge, vielleicht acht Jahre alt. Erst in diesem Moment wurde mir bewusst, dass ich wahrscheinlich selbst dieser Junge war.
    »Das ist Gaylord«, sagte Wonne jedoch. »Und das hier ist der alte Bahnhof Tente. Morgens um sieben ist die Welt noch in Ordnung.«
    Plötzlich klickerte etwas hell, und ich war wach. Ich lag auf der Seite in Mannis Gästebett und blickte genau auf den Digitalwecker: neun Uhr dreiunddreißig.
    Die Welt war definitiv länger in Ordnung als bis sieben Uhr -vorausgesetzt, man durfte schlafen.
    Jetzt klickerte es noch mal. Es kam vom Fenster, das ebenfalls in meinem Blickfeld lag. Kleine Steinchen flogen gegen die Scheibe. Und jemand rief draußen meinen Namen.
    Ich wollte aufstehen, doch ein stechender Schmerz von der Schädeldecke über die Schläfen bis in den Nacken ließ mich stöhnend zurücksinken. Mein Mund war trocken wie Styropor.
    »Remi! Ich weiß, dass du da bist.«
    Wonne!
    Moment, warnte ich mich. Du hast gestern Abend schon mehrmals Gespenster gesehen. Du siehst sie ja neuerdings überall.
    Egal. Vielleicht war sie ja dieses Mal real.
    Mit übermenschlicher Kraft richtete ich mich auf, biss die Zähne zusammen, schleppte mich zum Fenster und machte es auf. Unten auf dem kiesbedeckten Vorplatz stand Wonne, frisch und energiegeladen wie der neue Sommertag.
    »Da bist du ja.« Sie winkte. »Kannst du mich bitte mal reinlassen? Dieses Haus scheint keine Klingel zu haben.«
    »Warte einen

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