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Altenberger Requiem

Altenberger Requiem

Titel: Altenberger Requiem Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Buslau
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Moment«, krächzte ich. Der Schmerz aus dem Kopf setzte sich im rechten Arm fort.
    »Oh, hab ich dich geweckt?«
    Ich absolvierte meine Wanderung zur Haustür und öffnete.
    »Hey, du siehst ganz schön zerknittert aus.« Wonne hatte einen Korb in der Hand. Wie Rotkäppchen auf dem Weg zur Großmutter. »Du hast doch hoffentlich noch nicht gefrühstückt?«
    Ich musste mich kratzen, und dann fiel mir siedend heiß ein, dass ich mit Sicherheit kein allzu anziehender Anblick war.
    He, alter Junge, dachte ich. Sie ist da. Reiß dich zusammen. Bring dich außerhalb ihres Blickfeldes und sorg für Klarschiff.
    »Ich bin gleich so weit«, brachte ich hervor.
    Sie sah mich an. »Freust du dich nicht, mich zu sehen? Bis du etwa sauer?« Eine Spur Enttäuschung in ihrer Stimme.
    Ich war verblüfft. Meine derangierte Ausstrahlung schien sie nicht im Mindesten zu stören.
    Trotzdem.
    »Doch, doch. Ich freue mich total, ehrlich. Ich will nur schnell raufgehen und mich … anziehen.«
    »Super. Ich mach solange Frühstück. Wo ist in diesem Palast die Küche?«
    Sie stakste an mir vorbei, in der Hand den Korb. Ich bekam den Vergleich mit Rotkäppchen nicht aus dem Kopf. Ein rotweiß gewürfeltes Tuch bedeckte den Inhalt. An der Seite war es etwas verrutscht, und ich erkannte zugeschraubte Gläser. Außerdem zog Wonne einen Geruch nach Bäckerei hinter sich her. Offenbar hatte sie irgendwo Brötchen gekauft.
    Ob ich noch schlief? Und immer noch träumte?
    Ich verzichtete aufs Rasieren, duschte so schnell wie nie zuvor und zog mich in Windeseile an. Es dauerte genau viereinhalb Minuten, bis ich Mannis noble Marmortreppe wieder hinunterschritt.
    Im Bad hatte mich plötzlich ein seltsames Gefühl beschlichen. Wie würde sich Wonne mir gegenüber verhalten? Würde sie die Ereignisse des gestrigen Abends nur als Flirt ansehen und darüber hinweggehen? Würde sie der Sache den Gnadenstoß verpassen nach dem Motto: Lass uns einfach nur Freunde sein?
    So war es damals auch mit Gabi weiter- oder vielmehr zu Ende gegangen. Mir hatte das lange Kopfzerbrechen beschert. Einerseits wollten Frauen, dass man sich ihnen gegenüber als nett und zuverlässig, also als guter Freund erwies. Aber wenn man es dann tat, konnte es passieren, dass man für die Beziehung nicht mehr der Richtige war. Als hätte sich irgendetwas verbraucht. Manche Frauen behaupteten nach dieser Phase der hoffnungsfrohen Anfreundung sogar, es käme ihnen jetzt seltsam vor, wenn man zusammen ins Bett ginge.
    Bitte - alles, nur das nicht bei Wonne!
    Wonne hatte in derselben kurzen Zeit etwas fertiggebracht, wofür ich Jahre benötigt hätte. Sie hatte im Esszimmer den Tisch gedeckt, Wurst und Käse auf Tellern drapiert und sogar Marmeladengläser einzeln mit Löffeln versehen.
    Bei mir zu Hause kam alles einfach so auf den Tisch, wie es mir in die Finger geriet. Nutellaglas, Brotscheiben, Käsescheiben in der Verpackung. Falls ich nicht sowieso im Stehen frühstückte und mir alles gleich aus dem Kühlschrank griff.
    Wonne hatte das bunte Geschirr aus Mannis Küche genommen. Zu einem blauen und einem grünen Teller, einer gelben und einer roten Tasse gesellten sich die nicht minder bunt gefüllten Gläser mit Marmelade, die sie offenbar mitgebracht hatte. Die Klebezettel waren von Hand beschriftet. Als ich näher kam, konnte ich sie lesen: »Apfel-Holunder« stand auf einem Glas mit rötlich dunklem Inhalt, auf einem anderen mit etwas hellerem Rotem darin »Himbeer-Zitronenmelisse«.
    »Das ist doch nicht dein Ernst, Remi!« Wonne hatte aus der Küche gerufen. »Das darf nicht wahr sein! Ich fass es nicht!«
    Sie stand an der Arbeitsplatte und hatte wohl gerade Scheiben von dem Brot abgeschnitten, dessen Duft die Küche erfüllte.
    Der riesige Kühlschrank war offen. Im oberen Kühlfach stapelten sich drei meiner von mir so ausgiebig konsumierten Tiefkühlpizzas.
    »Da ich nichts anderes gefunden habe, muss ich davon ausgehen, dass du dieses Zeug hier isst.«
    »Na ja, ich habe oft wenig Zeit, und es ist halt einfach, so ein Ding in die Mikrowelle …«
    »Tiefkühlpizza in der Mikrowelle?« Ihr freundliches, immer zum Lachen aufgelegtes Gesicht verzog sich angeekelt. Sie schmiss das Tiefkühlfach wieder zu. »Und was nimmst du zum Frühstück zu dir? Dachpappe?«
    »Nein … Ich trinke einen Kaffee. Manchmal esse ich dazu ein Brot. Wenn ich Zeit habe.«
    Sie nahm die abgeschnittenen Scheiben, legte sie auf einen flachen Teller und brachte ihn zum Esstisch hinüber. »Dann

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