Altenberger Requiem
ausgeflippt. Da konnte man die Uhr nach stellen. Meistens wenn sie von einer Reise zurückkam oder ein paar Tage später. Da hieß es dann immer, ich sollte mir einen Job suchen und so was alles. Als ob das so einfach wäre. Weiß doch jeder, dass es keine Jobs gibt. Außerdem ist eh alles im Arsch.«
»Wie meinst du das?«
»Was fragst du so blöd? Klima. Krise. Alle sind pleite. Alles ist im Arsch.«
»Weil sich das Klima ändert, willst du dir keinen Job suchen?«
»Na, ist doch eh bald alles am Ende. Man soll leben, oder?«
Ich verzichtete auf eine Grundsatzdiskussion. »Deine Mutter hat es offenbar verstanden, ihr Leben zu leben. Auf ihre Weise. Was ist denn mit dir? Ich habe gehört, du warst schon mal im Knast. Warum?«
»Ist doch egal.«
»Hör mal, ich will dir helfen. Erzähl mir, warum du schon mal im Knast warst.«
»Es war nicht meine Schuld.«
»Wessen dann?«
Er presste die Lippen aufeinander, als wollte er sie mit Gewalt zuhalten.
»Du willst mir nichts erzählen? Also gut. Das ist für mich kein Problem.« Ich stand auf, ging zur Tür und klopfte. Als der Schlüssel ins Schloss gesteckt wurde, hörte ich Reinhold hinter mir: »He, Remi oder wie du heißt. Jetzt komm schon …«
Sein Rufen verhallte, als ich draußen war und der Beamte wieder abschloss. »Ist die Besprechung vorbei?«, fragte er.
»Mal sehen. Wo ist Frau Dr. Rath?«
Der Beamte zeigte den Gang hinunter, und ich sah die Rechtsanwältin ein Stück weiter neben einem glatzköpfigen Mann stehen. Kotten.
»Herr Rott«, begrüßte er mich. »Man könnte glauben, Sie suchen den Kontakt mit der Polizei geradezu.«
»Ich bin offiziell hier«, sagte ich. »Ich arbeite für Frau Dr. Rath.«
»Ich frage mich, wie Sie das hingekriegt haben«, erwiderte Kotten. »Aber ich kann Ihnen versichern, dass wir mit Hackenberg den richtigen Mann haben. Motiv, Gelegenheit. Alles sauber ermittelt. Sie können sich Ihre Mühe sparen. Und Sie, Frau Anwältin, das Geld für diesen windigen Herrn.«
»Wenn Sie uns bitte entschuldigen wollen.« Ich zog Frau Dr. Rath den Gang entlang.
»Was hat der Kommissar gegen Sie?«, fragte sie.
»Ach, das ist berufsbedingt.«
»Und wie läuft es mit Reinhold?«
»Ich gebe ihm gerade Gelegenheit, über seine Kooperationsbereitschaft nachzudenken. Furchtbar, wie negativ er drauf ist. Wie ein Ertrinkender, der noch nicht mal den Strohhalm erkennt, der an ihm vorbeischwimmt. Geschweige denn einen Rettungsring. Und jetzt brauche ich ein paar Informationen über seine Vorstrafen.«
»Was wollen Sie wissen?«
»Worum es genau ging, Namen von Komplizen und so weiter.«
Sie stellte ihre Tasche auf den grauen Linoleumboden, entnahm ihr eine Mappe und reichte sie mir.
»Es geht wahrscheinlich schneller, wenn Sie es sich selbst ansehen.«
»Wie sind Sie da so fix drangekommen?«, fragte ich. »Und dann auch noch am Sonntag …«
»Ich habe auf dem Weg vorhin mit dem Staatsanwalt telefoniert.«
»Und der ließ sich stören?«
»Wenn man beherzt auftritt.« Sie lächelte, und mir wurde klar, dass sich hinter der unauffälligen Fassade eine knallharte Anwältin verbarg.
»Jedenfalls sagte er mir, dass der Hauptkommissar auch auf dem Weg hierher sei. Er hat mir die Unterlagen gleich mitgebracht.«
Ich blätterte und las. Ab und zu pfiff ich durch die Zähne. Nicht schlecht. Immerhin erfuhr ich endlich etwas über diesen ominösen Matze.
»Kann ich mir das ausleihen?«, fragte ich, als ich fertig war.
»Natürlich. Wollen Sie es zu ihm mit reinnehmen?«
»Ich geh nicht mehr zu ihm rein. Jetzt sind Sie dran. Ich hoffe, ich habe Hackenberg mit meinem Abgang ein bisschen nachdenklich gemacht. Fragen Sie ihn noch mal nach besonderen Vorkommnissen der letzten Zeit. Ich brauche auch Kontakte der Mutter. Freunde, Freundinnen. Leute, die nicht gut auf sie zu sprechen waren. Schreiben Sie alles auf.«
»Wollen Sie das nicht doch selber machen? Ich könnte veranlassen, dass unsere Besprechungszeit verlängert wird.«
»Das wird mir alles zu knapp. Ich fange schon mal an zu ermitteln. Ich melde mich. Kriege ich Ihre Handynummer?«
»Ihre Mitarbeiterin hat sie.«
»Wunderbar.«
Ich verabschiedete mich, ging den Gang entlang und ließ mich zurück in den Sommertag bringen. Dort stand Wonne und wartete. Unser nächstes Ziel war das Haus der Hackenbergs.
11. Kapitel
Das Haus in Tente lag so still und friedlich unter den hohen Bäumen wie am Tag zuvor. Diesmal fehlte allerdings das Computerspiel-Geballer. Reinholds
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