Altenberger Requiem
Oder Herr Markgraf? Es tut mir leid, dass ich Sie nicht richtig ansprechen kann, aber ich bin etwas verwirrt wegen Ihrer zwei Namen.«
Matze sah sich um - und in seinem Blick erschien der Ausdruck eines gejagten Wildes, das nicht sicher ist, ob noch mehr Verfolger in der Nähe sind. Eine Sekunde später wurde sein Blick wieder selbstbewusster.
»Sie waren doch bei mir zu Hause an der Garage?«
»Ich wollte mit Ihnen reden, aber Sie waren schon weg.«
»Haben Sie was mit einer Sekte zu tun?«
»Nein, ganz und gar nicht.«
»Worum geht es denn? Wer sind Sie überhaupt?«
»Sind Sie denn Herr Büchel?«
»Sicher. Sie scheinen mich ja zu kennen.«
»Nicht Markgraf?«
»Da haben Sie was falsch verstanden. Die Firma, für die ich arbeite, heißt so.«
Ich blickte auf die Baustelle. »Immobilien?«
»Das sehen Sie doch. Hören Sie, ich muss weiter. Was wollen Sie?«
Siehst du, sagte die innere Stimme, und ich beschloss, das Thema Büchel und Beruf abzuschließen.
»Mein Name ist Rott«, sagte ich. »Ich bin Privatdetektiv und arbeite für einen Freund von Ihnen. Reinhold Hackenberg.«
Matze stutzte. »Reinhold beauftragt einen Schnüffler?« Er wirkte belustigt. »Warum das denn?«
Ich erklärte ihm knapp, was passiert war.
»Der soll einen Mord begangen haben? Glaub ich nicht.«
»Sehen Sie - seine Anwältin und ich auch nicht. Die Frage ist jetzt, wer es sonst gewesen sein könnte.«
»Sie suchen wahrscheinlich nach Leuten, die ihn gekannt haben. Die etwas gegen ihn oder gegen seine Alte hatten. Die war ein ganz schöner Drachen, da werden Sie sicher fündig.«
»Ich befasse mich erst mal mit den Freunden.«
»Aber warum? Glauben Sie, ich hätte was damit zu tun? Lassen Sie mich bloß in Ruhe, das rate ich Ihnen.« Plötzlich schlug seine aufgesetzte Souveränität in Aggressivität um. Die Businessfassade bekam Risse. »Die Alte hatte eine Menge Feinde, glauben Sie mir.«
Ich hatte Matze noch nicht verraten, was genau mich zu ihm geführt hatte. Es war Zeit, das nachzuholen.
»Und was ist, wenn jemand Sie gesehen hat? An Klara Hackenbergs Haus? Am Morgen, an dem sie starb?«
»Und wann soll das gewesen sein?«
Eigentlich hätte ich jetzt wieder Aggression erwartet. Aber Matze wirkte vollkommen ruhig und hatte auch seine Sicherheit wiedergefunden.
»Gestern früh um acht. Oder davor.«
Er wandte sich seiner Tasche zu. »Sie haben Glück«, sagte er, während er darin herumwühlte, »dass ich noch keine Zeit hatte, meine Sachen richtig aufzuräumen. Oder Pech, wie man’s nimmt.«
Er hielt mir etwas vor die Nase. Ein Mäppchen mit Blättern im Querformat.
»Nehmen Sie schon. Und schauen Sie es sich genau an. Sie können es von mir aus sogar behalten.«
Ich blätterte die Unterlagen durch. Es waren Flugscheine und andere Reiseunterlagen. Ich erkannte das Logo eines großen Reiseunternehmens auf dem Deckblatt. Dahinter waren die Tickets abgeheftet.
Ich studierte alles genau. Es gab keinen Zweifel. Matze Büchel war gestern Abend von einem zweiwöchigen Portugal-Urlaub zurückgekommen. Kein Wunder, dass er so braun gebrannt war.
»Zufrieden?«, sagte er. »Und jetzt würde ich gerne wieder arbeiten. Im Gegensatz zu Ihnen werde ich nämlich nur für wirkliche Erfolge bezahlt. Und nicht fürs Rumstehen.«
»Ich rate Ihnen, das hier gut aufzubewahren«, sagte ich und gab ihm die Unterlagen zurück. »Es kann sein, dass die Polizei Sie auch danach fragt.«
»Danke für den Tipp«, sagte er jovial. »Ich werd dann mal…«
»Und noch eins«, sagte ich und hielt immer noch die Autotür fest, die er zuknallen wollte.
»Ja?«
»Ich soll Sie herzlich von Ihrer Mutter grüßen. Sie macht sich Sorgen um Sie. Sie würde sich freuen, wenn Sie sie mal besuchen würden.«
Damit ließ ich ihn stehen und ging zu meinem Auto zurück. Die innere Stimme meldete sich sofort.
Na? Hab ich dir’s nicht gleich gesagt?
Kaum hatte ich mich in den Wagen gesetzt, übertönte ich die Stimme mit »Dancing Queen« von ABBA und fuhr los.
15. Kapitel
Die Autobahn war frei, und angefeuert von meiner Oldie-CD gab ich kräftig Gas. Es gelang der Musik nicht, mich davon abzulenken, dass die Matze-Spur ins Nichts geführt hatte. Und dieser Gedanke ließ mich so darüber grübeln, wie ich weiter vorgehen sollte, dass ich erst an der Raststätte Ohligser Heide einen Ford Fiesta bemerkte, der mir offenbar folgte. Seine Farbe lag zwischen Blau und Türkis. Mitten auf dem Kühler befand sich ein sternförmig
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