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Alter Adel rostet nicht

Alter Adel rostet nicht

Titel: Alter Adel rostet nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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andern gehörte. Damals hätten wir für immer auseinandergehen sollen.«
    »Ich bin ganz deiner Meinung«, sagte ich. In gewissem Sinne war das ja auch gar nicht so dumm. Ich meine, wenn ihr Herz einem andern gehörte – bon. Niemand war darüber glücklicher als Bertram. Aber der springende Punkt war ja: gehörte es wirklich einem andern? »Allerdings habe ich von Gussie erfahren, daß eure Liaison mehr oder weniger geplatzt ist.«
    Sie sah mich an, als hätte ich soeben das Kreuzworträtsel mit einem pfiffigen »Emu« in drei waagerecht zu Ende gebracht.
    »Also deshalb bist du gekommen? Du dachtest, es bestünde doch noch eine Hoffnung? Oh, Bertie, es tut mir ja so leid … ach, so leid!« Ihre Augen waren jetzt so groß wie Untertassen und ziemlich feucht. »Nein, Bertie, es gibt für uns keine Hoffnung. Du darfst dich nicht solchen Illusionen hingeben. Das bereitet dir nur Kummer. Nein, ich liebe Augustus. Er ist mein Erwählter.«
    »Dann steht es also bei euch nicht auf Hauen und Stechen?«
    »Wo denkst du hin!«
    »Und warum hat er mir dann telegrafiert: ›Krach mit Madeline‹?«
    »Ach, das?« Sie lachte wieder silberhell und melodisch. »Das hat nichts zu bedeuten. Es war nur ein dummes, kleines Mißverständnis. Ganz albern und töricht. Ich dachte, er hätte mit meiner Cousine Stephanie geflirtet, und war ein bißchen eifersüchtig. Aber heute morgen hat er mir alles erklärt. Er hatte ihr nur eine Mücke aus dem Auge entfernt.«
    Wahrscheinlich wäre es mein gutes Recht gewesen, mich darüber aufzuregen, daß ich den langen Weg nach Totleigh völlig umsonst gemacht hatte, aber ich tat es nicht. Ich war sogar vergnügt und heiter. Wie bereits erwähnt, war mir Gussies Telegramm ganz schön an die Nieren gegangen, und ich hatte mit dem Schlimmsten gerechnet. Statt dessen war soeben Entwarnung gegeben worden, und ich hatte aus amtlicher Quelle gehört, daß zwischen diesen beiden Kanaillen wieder alles in Butter war.
    »Es hat sich also alles eingerenkt?«
    »Ja. Ich liebe Augustus inniger als je zuvor.«
    »Was du nicht sagst.«
    »Wenn ich bei ihm bin, ist es, als entfaltete sich sein wundervolles Wesen vor mir wie eine schöne Blüte.«
    »Ach nein?«
    »Täglich entdecke ich etwas Neues an seinem edlen Charakter. Zum Beispiel … Bist du ihm nicht erst vor kurzem begegnet?«
    »Ja, allerdings. Vorgestern abend habe ich ihn im Drones Club zum Essen eingeladen.«
    »Ist dir da keine Veränderung an ihm aufgefallen?«
    Ich ließ den fraglichen Abend noch einmal vor meinem Gedächtnis abrollen, aber soweit ich mich erinnern konnte, war Gussie derselbe fischgesichtige Spinner gewesen, der er schon immer war.
    »Veränderung? Nicht, daß ich wüßte. Allerdings hatte ich bei diesem Abendessen wenig Gelegenheit, ihn mir näher anzusehen und Charakterstudien zu treiben, wenn du verstehst, was ich meine. Er saß mir zwar gegenüber, und wir plauderten über dieses und jenes, aber du weißt ja, wie das ist, wenn man den Gastgeber spielt. Ständig ist man abgelenkt. Man muß die Kellner im Auge behalten, Konversation machen, Catsmeat Potter-Pirbright davon abhalten, seine Marlene-Dietrich-Imitation zum besten zu geben … hundert Dinge. Aber ich finde, er war ganz der alte. Was für eine Veränderung meinst du denn?«
    »Eine zum Besseren, wenn das überhaupt noch möglich war. Hast du nicht früher auch manchmal gedacht, Bertie, daß Augustus vielleicht ein Ideechen zu schüchtern sei?«
    Ich verstand, was sie meinte.
    »Ah … M-hm. Ja. Genau.« Mir fiel wieder ein, wie Jeeves Gussie einmal genannt hatte. »Ein empfindsames Pflänzchen, stimmt’s?«
    »Ja. Du kennst deinen Shelley, wie ich merke, Bertie.«
    »So, tatsächlich?«
    »So habe ich ihn auch immer gesehen – als ein empfindsames Pflänzchen, das für dieses rauhe Leben nicht geschaffen war. Aber in letzter Zeit, genauer gesagt in der letzten Woche, hat er außer seiner liebenswerten Verträumtheit auch ein energisches Selbstbewußtsein an den Tag gelegt, das ich ihm nie zugetraut hätte. Er scheint seine Schüchternheit völlig überwunden zu haben.«
    »Ja, wahrhaftig«, sagte ich, denn nun fiel es mir wieder ein. »Du hast recht. Vorgestern bei meiner Abendgesellschaft hat er sogar eine Rede gehalten, und zwar eine sehr beachtliche. Und das Tollste daran ist …«
    Ich unterbrach mich. Fast wäre mir herausgerutscht, das Tollste daran sei gewesen, daß er vor dieser Rede nichts als Orangensaft getrunken habe, während er sich seinerzeit vor

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