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Alter Adel rostet nicht

Alter Adel rostet nicht

Titel: Alter Adel rostet nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: P. G. Wodehouse
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Byng war ja der reinste Alleszermalmer! Man will natürlich nicht unnötig die Ratschlüsse einer allweisen Vorsehung kritisieren, aber es war mir völlig unbegreiflich, warum ein Köter dieser Größe mit den Kiefern und Zähnen eines Alligators bestückt werden mußte. Jetzt war es natürlich zu spät, um daran noch etwas zu ändern.
    Nach einem Augenblick verdutzter Reglosigkeit, wie sie bei einem Mädchen, das ein Klopfen an seinem Fenster hört, nicht anders zu erwarten war, hatte sich Stiffy erhoben, um nachsehen zu gehen. Von dort, wo ich saß, war leider nichts zu erkennen, aber sie war anscheinend in einer günstigeren Position. Ich sah, wie sie den Vorhang zurückzog und sich dann wie eine Stummfilmaktrice an die Gurgel faßte. Sie stieß einen spitzen Schrei aus, der trotz des Spektakels, den der wutschäumende Terrier veranstaltete, noch deutlich zu hören war.
    »Harold!« japste sie. Ich zählte blitzschnell zwei und zwei zusammen und kam zu dem Ergebnis, daß es sich bei dem Johnny auf dem Balkon um den guten alten Stinker Pinker, meinen Lieblingskaplan handeln mußte.
    La Stiffy hatte seinen Namen mit einer Art unterdrücktem Freudenjuchzer ausgerufen wie eine Frau, die dem Mann ihrer Träume begegnet, aber gleich darauf merkte man, daß der Verstand ihr sagte, nach allem, was zwischen ihr und diesem Gottesmann vorgefallen war, sei das nicht der passende Ton. Ihre nächsten Worte klangen deshalb eisig und feindselig. Daß ich sie hören konnte, verdankte ich dem Umstand, daß sie den Köter Bartholomew auf den Arm genommen und ihm die Schnauze zugehalten hatte – wofür ich mich im Leben nicht hergegeben hätte, nicht einmal gegen großzügige Bezahlung.
    »Was wünschst du?«
    Da Bartholomews Störgeräusche eliminiert waren, hatte ich einen einwandfreien Empfang. Stinkers Stimme klang zwar wegen der Fensterscheiben etwas gedämpft, aber ich konnte ihn gut hören.
    »Stiffy!«
    »Ja, bitte?«
    »Kann ich nicht hereinkommen?«
    »Nein.«
    »Aber ich habe dir etwas mitgebracht.«
    Auf einmal stieß diese dußlige Dohle einen jubilierenden Jodler aus.
    »Harold! Du Goldengel! Hast du ihn also doch?«
    »Ja.«
    »Ach, Harold, du bist ein Schatz!«
    Hastig öffnete sie die Balkontür, worauf ein kalter Luftzug hereinwehte und mir eisig um die Knöchel strich. Stinker kam aber entgegen meinen Erwartungen nicht hinterher. Er verweilte vielmehr weiter an der Peripherie, und gleich darauf wurde mir auch klar, was ihn dazu veranlaßte.
    »Sag mal, Stiffy, altes Mädchen, hast du deinen Bluthund auch richtig unter Kontrolle?«
    »Ja, sofort. Warte mal.«
    Sie trug das Vieh zum Kleiderschrank, deponierte ihn darin und schloß hinter ihm die Tür. Und da er sich nicht mehr muckste, nehme ich an, daß er sich zusammengerollt und schlafen gelegt hat. Diese Scotties sind philosophisch veranlagt und nehmen die Dinge, wie sie kommen. Sie können austeilen, aber auch einstecken.
    »So, mein Engel, die Gefahr ist gebannt«, sagte sie und ging zur Balkontür zurück, wo sie gerade rechtzeitig eintraf, um vom hereinkommenden Stinker in die Arme geschlossen zu werden.
    Bei den nun folgenden Umschlingungen war es kaum noch möglich, männliche und weibliche Bestandteile auseinanderzuhalten, aber nach einer Weile löste er sich aus dem Knäuel, und ich konnte ihn komplett in Augenschein nehmen. Dabei fiel mir auf, daß er seit unserer letzten Begegnung ganz schön zugelegt hatte. Die gute Landbutter und das sorgenfreie Dasein eines Kaplans hatten seine schon immer sehr stattliche Figur um einige Pfündchen anwachsen lassen. Um den schlanken, durchtrainierten Stinker von einst wiederzusehen, dachte ich, würde ich wohl bis zur nächsten Fastenzeit warten müssen.
    Aber schon bald wurde mir klar, daß er sich nur äußerlich verändert hatte. An der Art, wie er jetzt über den Teppich stolperte und dabei ein Beistelltischchen rempelte und mit der gewohnten Gründlichkeit auch gleich noch über den Haufen rannte, merkte ich, daß er noch immer der alte Tolpatsch mit zwei linken Füßen war, der nicht einmal durch die Wüste Gobi hätte latschen können, ohne mit irgendwas zu kollidieren.
    Stinkers Gesicht hatte in unserer Studentenzeit stets Gesundheit und gute Laune ausgestrahlt. Die Gesundheit sah man ihm auch jetzt noch an – er glich einer Tomate im schwarzen Rock –, aber an guter Laune gebrach es ihm momentan ganz offensichtlich. Er wirkte bekümmert, so als nagte der Gewissenswurm an seinem Lebensnerv, und vermutlich

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