Alter Adel rostet nicht
murmelte er vor sich hin. »Ohne Madeline ist das Leben sinnlos.«
Das war natürlich eine seltsame Einstellung, aber über Geschmack läßt sich nicht streiten. Des einen Brot ist des anderen Tod, und umgekehrt. Selbst meine Tante Agatha hatte, wie mir einfiel, seinerzeit das Feuer der Leidenschaft in der Brust des inzwischen verewigten Spenser Gregson entfacht.
Gussie war mittlerweile auf seiner Wanderung zu meinem Bett gekommen und betrachtete nun stumm das zu einem Strick zusammengedrehte Laken, das darauf lag.
»Damit«, sinnierte er, »könnte man sich ganz gut aufhängen.«
Ich beschloß, diesem Gedankengang sofort ein Ende zu machen. Daß sich alle Welt ausgerechnet in meinem Zimmer zu treffen schien, damit hatte ich mich inzwischen mehr oder weniger abgefunden, aber ich hatte absolut keine Lust zuzusehen, wie es auch noch in einen Tatort umfunktioniert wurde. In diesem Punkt verstand ich keinen Spaß.
»Hier wirst du dich aber nicht aufhängen!«
»Irgendwo muß ich mich doch aufhängen.«
»Tu’s, wo du willst, aber nicht in meinem Zimmer.«
Er sah mich groß an.
»Darf ich mich wenigstens in deinen Sessel setzen?«
»Bitte sehr.«
»Danke.«
Er setzte sich und stierte mit glasigem Blick vor sich hin.
»So, Gussie«, sagte ich, »und nun wollen wir mal deine Aussagen zu Protokoll nehmen. Was soll das heißen, daß eure Hochzeit nicht stattfindet?«
»Sie findet nicht statt.«
»Aber hast du ihr denn nicht das Notizbuch gezeigt?«
»Doch, das habe ich ihr gezeigt.«
»Und hat sie auch gelesen, was drinsteht?«
»Ja.«
»War die Folge nicht ein › tout comprendre‹?«
»Doch.«
»Und ein › tout pardonner‹?«
»Doch.«
»Dann muß doch irgendwo ein Irrtum vorliegen. Eure Hochzeit kann gar nicht geplatzt sein.«
»Ist sie aber. Glaubst du, ich kann nicht zwischen einer stattfindenden und einer geplatzten Hochzeit unterscheiden? Sir Watkyn hat sie untersagt.«
Damit hatte ich allerdings nicht gerechnet.
»Aber warum denn? Habt ihr euch gestritten?«
»Ja. Wegen meiner Molche. Er wollte nicht, daß ich sie in die Badewanne setze.«
»Du hast Molche in die Badewanne gesetzt?«
»Ja.«
Wie ein Anwalt beim Kreuzverhör schickte ich blitzschnell die entscheidende Frage hinterher: »Warum?«
Seine Hände zitterten, als suchte er nach einem Strohhalm, an den er sich klammern könnte.
»Ich habe das Terrarium kaputtgemacht. Das Terrarium in meinem Zimmer. In dem Terrarium waren die Molche. Ich habe das Terrarium in meinem Zimmer kaputtgemacht, und die Badewanne war der einzige Platz, wo ich die Molche unterbringen konnte. Das Waschbecken war nicht groß genug. Molche brauchen Bewegungsfreiheit. Deshalb habe ich sie in die Badewanne gesetzt. Ich habe nämlich das Terrarium kaputtgemacht. Das Terrarium in meinem Zimmer. In dem Terrarium …«
Da diese Platte endlos weiterzulaufen drohte, klopfte ich mit einer Porzellanvase laut auf den Kaminsims, um ihn zur Räson zu bringen.
»Ich hab’s begriffen«, sagte ich und schubste die Scherben mit dem Fuß in den Kamin. »Weiter. Was hat Papa Bassett mit der Sache zu tun?«
»Er wollte ein Bad nehmen. Ich hätte nie gedacht, daß jemand so spät noch ein Bad nehmen könnte. Während ich im Salon saß, kam er auf einmal hereingestürzt und schrie: ›Madeline, dein verdammter Fink-Nottle hat mir die Badewanne bis zum Rand mit Kröten gefüllt!‹ Daraufhin habe ich leider ein bißchen den Kopf verloren und zurückgebrüllt: ›Um Himmels willen, Sie alter Waldesel, seien Sie bloß vorsichtig mit meinen Molchen! Lassen Sie Ihre verdammten Finger davon! Ich führe gerade eine sehr wichtige Untersuchung durch.‹«
»So war das also. Und dann …«
»Dann habe ich ihm erklärt, daß ich herausfinden wollte, ob der Vollmond das Liebesleben der Molche beeinflußt. Und plötzlich machte er ein ganz merkwürdiges Gesicht, fing an zu zittern und sagte, er habe den Stöpsel herausgezogen, und die Molche seien alle im Abflußrohr verschwunden.«
Ich glaube, bei diesen Worten hätte er sich am liebsten aufs Bett geworfen und das Gesicht in den Kissen vergraben, aber ich konnte es gerade noch verhindern. Ich wollte beim Thema bleiben.
»Und was hast du dann gemacht?«
»Ich habe ihn angeschnauzt und ihm sämtliche Schimpfwörter an den Kopf geworfen, die mir einfielen. Es waren sogar einige dabei, die mir ganz neu waren. Sie müssen aus meinem Unterbewußtsein aufgetaucht sein. Zuerst hat es mich gestört, daß Madeline anwesend war, aber dann
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