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Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition)

Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition)

Titel: Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Claus Riemann
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mehrmals wechselte diese ihre Gestalt, aber unbeirrt kämpfte die Prinzessin weiter, und die Spitze ihres Schwertes drang in das Herz der Hexe. Da erkannte diese, wer ihr Gegner war, und sie rief: »Eine Frau ist der Tod!« Dann hauchte sie ihre schwarze Seele aus und fuhr zur Hölle.
     
    In diesem Augenblick fiel der Zauber von dem Schloss und den Versteinerten; sie kamen in den Schlosshof und dankten der Prinzessin, die sie erlöst hatte. Am glücklichsten aber waren die drei Brüder, und der älteste Prinz umarmte seine Gemahlin und küsste sie. Da nahmen die Erlösten die Schätze der Hexe, belohnten den alten Fischer reichlich und ritten heim.
     
    Als der kranke König sie heimkommen hörte, trat er unter das Tor, und die Prinzessin besprengte seine Augen mit dem Wasser des Lebens. Da wurde der König wieder sehend, nahm seine Krone, setzte sie der Prinzessin aufs Haupt und übergab ihr das Reich, und alle waren es zufrieden, und sie lebten in Glück und Frieden miteinander. MÄRCHEN AUS FRANKREICH)
     
4.6.1. Überlegungen zum Märchen
     
    Die Ausgangssituation dieser Geschichte erscheint vertraut: der König ohne Königin mit ausschließlich männlichen Nachkommen. Immerhin ist der Älteste schon verheiratet, der Bezug zum Weiblichen ist also ansatzweise schon geknüpft. Der König ist blind geworden, das bewusste Ich ist also am Ende, er befindet sich in einer aussichtslosen Lebenssituation, in einer Dunkelphase, einer Depression. Die Magier des Königreiches können nicht helfen, aus dem männlichen Bereich ist also die Lösung nicht zu erwarten. Aber immerhin wissen sie, wie Heilung geschehen kann: durch das Lebenswasser von der fernen Insel, über die die Hexe herrscht.
     
    Das erinnert ein wenig an den Anfang der Tristan-Geschichte. Tristan heißt »Sohn der Traurigkeit«, seine Mutter starb schon früh, er ist ein mutterloser Sohn. Auch er muss, um zur Liebe, zum Weiblichen zu finden, eine Reise weit aufs Meer hinaus unternehmen, um Prinzessin Isolde in Irland zu finden. Auch er muss erfahren, wie gefährlich es ist, die Insel des vernachlässigten Weiblichen zu betreten. Bei seiner ersten Fahrt kehrt er fast zu Tode verwundet zurück.
     
    Das abgespaltene, ausgesperrte Weibliche wird nun einmal böse, wird zur 13. Fee in Dornröschen, zur lieblosen Stiefmutter Aschenputtels, hier zur kaltherzigen, machtgierigen Hexe auf der Felseninsel. Doch die böse Hexe herrscht über das Wasser des Lebens, der Weg zur Heilung und Ganzheit führt nur über sie!
     
    In der Regel macht sich der jüngste (meist dritte) Sohn erst dann auf den Weg, wenn die älteren Brüder gescheitert sind. Er ist auch deswegen der Heilsbringer, weil er noch »unschuldig« ist, noch am wenigsten belastet vom alten System. Wogegen der Älteste dem alten System naturgemäß näher ist. Hier ist das nicht so. Der jüngste Sohn erscheint als der unreifste, was schon aus den Motiven ersichtlich ist, die ihn begleiten auf seiner Reise.
     
    Er will zwar das Wasser des Lebens holen, aber in erster Linie, um die Krone und das Reich zu erben. Das Leid seines Vaters scheint ihm egal zu sein. Der zweite möchte auch das Wasser des Lebens, immerhin treibt ihn auch die Sorge um den Bruder. Nur der älteste Sohn sorgt sich um das Augenlicht seines Vaters.
     
    Man könnte die drei Prinzen als Aspekte des Königs selbst verstehen. Wenn ein Mensch so lange ohne Bezug zum Weiblichen, ohne das Lebenswasser, ohne Liebesenergie gelebt hat, wird der erste Versuch, sich dieser Welt anzunähern in der Regel nicht gelingen. Man hat zu lernen.
     
    Lektion Nummer eins ist dem ersten Prinzen vorbehalten: Wenn du in einer Frau nur die sorgende, nährende Mutter suchst, findest du nicht zur Liebe. Die Hexe reicht ihm Wein und Brot, und als er seine Lippen an den Becherrand setzt, erstarrt er zu Stein. Der Hunger und Durst des Prinzen ist zwar verständlich, nicht nur wegen der langen Reise, sondern weil der einsame König offensichtlich schon lange »liebeshungrig« ist. Aber diese orale »Gib-es-mir-Haltung« führt eben nicht zur Liebe. Sie ist Falle Nummer eins.
     
    Hat der jüngste Prinz in der Frau das nährende Mütterliche gesucht, so sucht der zweite Prinz die Geliebte. Die Hexe begegnet ihm in ihrer verführerischsten Gestalt, und ohne sich darum zu kümmern, wer sie überhaupt ist, fragt er sie: »Willst du meine Frau werden? Ich liebe dich.« Ohne sich um ihr Wesen zu kümmern, ohne sie überhaupt zu kennen! Die Frau ausschließlich als Geliebte

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