Alter König Neuer König - Seelenweishheit im Märchen (German Edition)
Haare flossen bis zum Gürtel, und ihre Augen leuchteten dunkel wie die Nacht. Ihr Angesicht war zart und rein wie eine Magnolienblüte. Süß lächelte sie den Prinzen an und sprach mit sanfter Stimme: »Willkommen, mein Prinz; nimm deinen Krug und fülle ihn mit dem Wasser des Lebens.« Der Prinz tat, wie das schöne Mädchen ihm sagte. Darauf sprach sie zu ihm: »Bestimmt bist du hungrig und durstig. Ich will dir ein Stück Brot und einen Becher Wein bringen, und dann ruhe dich von deinem weiten Ritt bei mir aus.«
»Gerne!«, rief der Prinz. »Aber wo ist die Hexe, der das Schloss und der Brunnen gehört?«
»Fürchte dich nicht«, sprach das Mädchen mit leiser, zarter Stimme, »sie ist nicht hier.«
Das Mädchen ging in das Schloss und kam bald wieder mit einem Brot und einem Becher Wein zurück. Sie reichte dem Jüngling den Becher, und als dieser seine Lippen an den Becherrand setzte, erstarrte er zu Stein vom Scheitel bis zur Fußsohle. Die Hexe aber, denn das war das schöne sanfte Mädchen, rief ihre Diener und befahl ihnen, den Versteinerten in ein tiefes Gewölbe zu tragen.
Als nun der jüngste Prinz nicht wiederkehrte, sattelte der zweite Königssohn sein Pferd, und er ritt eilends zum Tor hinaus. Auch er ritt 49 Tage und 49 lange Nächte. Und er kam zum Ende der Welt an das weite Meer. Am Meeresufer saß ein alter, grauer Fischer bei seinem Boot.
»Gott grüße dich, Vater!«, rief der zweite Königssohn. »Rudere mich hinüber zu der Felseninsel. Ich muss das Wasser des Lebens und der Gesundheit holen, damit mein Vater das Augenlicht wiederbekommt und ich die Krone und das Reich erringe.«
»Ach, mein Sohn«, sprach der alte Fischer, »bleibe hier. Die Hexe, die über die Insel herrscht und der der Brunnen gehört, ist eine mächtige Zauberin. So viele Ritter habe ich hinübergerudert, und keiner ist je wiedergekehrt, und zuletzt brachte ich einen jungen Prinzen hinüber, und auch er kam nicht zurück.«
»Das war mein Bruder!«, rief der zweite Königssohn. »Rudere mich hinüber, ich muss das Wasser des Lebens und der Gesundheit bekommen und versuchen, meinen Bruder zu befreien!«
Da ruderte der alte Fischer den zweiten Königssohn zu der Felseninsel. Und der Prinz suchte sich den Weg zum Schloss. Als er den Schlosshof betrat, da sah er den Brunnen mit dem Wasser des Lebens und der Gesundheit. Sein silbernes Wasser plätscherte in ein Marmorbecken. Neben dem Brunnen aber stand ein wunderschönes, junges Mädchen; ihre langen schwarzen Haare flossen bis zum Gürtel, und ihre Augen leuchteten dunkel wie die Nacht. Ihr Angesicht war zart und rein wie eine Magnolienblüte.
Süß lächelte sie den Prinzen an und sprach mit sanfter Stimme: »Willkommen, mein Prinz; nimm deinen Krug und fülle ihn mit dem Wasser des Lebens.« Der Prinz tat, wie das schöne junge Mädchen ihm sagte. Darauf sprach er: »Weißt du nicht, wo mein Bruder ist? Er ist hier in die Gewalt einer Hexe gefallen.«
»Ich werde dir helfen, ihn zu befreien«, sprach das Mädchen und lächelte den Prinzen an. Da bat er sie: »Willst du dann mit mir gehen und meine Frau werden? Denn ich liebe dich!«
Das schöne Mädchen lächelte und küsste ihn zur Antwort auf den Mund. Und als ihre Lippen die seinen berührten, erstarrte er zu Stein vom Scheitel bis zur Fußsohle. Die Hexe aber rief ihre Diener und ließ den Versteinerten in ein tiefes Gewölbe tragen.
Als nun auch der zweite der Prinzen nicht wiederkehrte, ließ der König seinen ältesten Sohn kommen. »Es ist sehr gefährlich, das Wasser des Lebens und der Gesundheit zu holen. Deine beiden Brüder sind nicht wiedergekehrt. Darum reite du. Du bist der Älteste. Versuche, die Aufgabe zu erfüllen.«
Da nahm der älteste Prinz Abschied von seiner Frau und ritt langsam und traurig zum Tor hinaus, und er ritt 49 Tage und 49 lange Nächte. Und er kam zum Ende der Welt an das weite Meer. Am Meeresufer saß ein alter, grauer Fischer bei seinem Boot.
»Gott grüße dich, Vater!«, rief der älteste Königssohn. »Rudere mich hinüber zu der Felseninsel. Ich muss das Wasser des Lebens und der Gesundheit holen, damit mein Vater das Augenlicht wiederbekommt.«
»Ach, mein Sohn«, sprach der alte Fischer, »bleibe hier. Die Hexe, die über die Insel herrscht und der Brunnen gehört, ist eine mächtige Zauberin. So viele Ritter habe ich hinübergerudert, und keiner ist je wiedergekehrt, und zuletzt brachte ich zwei Prinzen
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