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Alter schützt vor Scharfsinn nicht

Alter schützt vor Scharfsinn nicht

Titel: Alter schützt vor Scharfsinn nicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agatha Christie
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ein kleines, unscheinbares Haus am Rand der Heide, nicht weit von Keats’ Geburtshaus entfernt. Es sah weder besonders interessant noch geschmackvoll aus.
    Tommy klingelte. Eine alte Frau, die seinen Vorstellungen vom Aussehen einer Hexe sehr nahe kam, stand kurz darauf mit feindseligem Blick im Türrahmen. Sie hatte eine spitze, gekrümmte Nase und ein spitzes Kinn, die einander zustrebten.
    »Kann ich, bitte, Oberst Pikeaway sprechen?«
    »Weiß ich nicht genau. Wer sind Sie denn?«
    »Mein Name ist Beresford.«
    »Aha! Ja, von Ihnen hat er was gesagt.«
    »Kann ich den Wagen auf der Straße stehen lassen.«
    »Wenn’s nicht zu lange dauert. Hier schnüffeln nur wenig Kontrollen rum. Gelbe Randstreifen gibt es auch nicht. Schließen Sie ab, Sir. Man kann nie wissen.«
    Tommy gehorchte und folgte der alten Frau ins Haus.
    »Eine Treppe hoch. Nicht höher!«
    Schon auf der Treppe traf ihn der Tabakqualm. Die Hexe klopfte an eine Tür, steckte den Kopf hinein und sagte: »Das muss der Herr sein, den Sie sprechen wollten. Er sagt, Sie erwarten ihn.«
    Sie trat zur Seite. Tommy ging an ihr vorbei in den dichten Rauch, der ihn sofort keuchen und husten machte. Er bezweifelte, dass er sich an Oberst Pikeaway erinnert hätte, wären nicht der blaue Dunst und der Nikotingestank gewesen. Ein sehr alter Mann saß zurückgelehnt in einem Sessel, einem ziemlich mitgenommenen Stück mit Löchern in den Armlehnen. Als Tommy näher trat, sah er nachdenklich auf.
    »Machen Sie die Tür zu, Mrs Copes«, sagte er. »Lassen Sie nicht so viel kalte Luft herein.«
    Tommy hätte kalte Luft sehr begrüßt und bedauerte, dass er das nicht zum Ausdruck bringen konnte.
    »Thomas Beresford«, sagte Oberst Pikeaway überlegend. »Soso! Wie lange ist es her, seit wir uns gesehen haben?«
    Tommy hatte noch nicht genau nachgerechnet.
    »Es ist lange her. Sie kamen damals mit – ach, was spielen Namen schon für eine Rolle. ›Was uns Rose heißt, wie es auch hieße, würde lieblich duften.‹ Das hat Julia gesagt, nicht wahr? Was für dummes Zeug Shakespeare sie manchmal reden lässt. Na ja, er konnte nichts dafür; er war ein Dichter. Ich habe mir nie viel aus Romeo und Julia gemacht. Zu viele Selbstmorde aus Liebe. So was gibt’s immer noch, das sollte man nicht vergessen. Es kommt auch heute noch vor. Setzen Sie sich, mein lieber Junge! Setzen Sie sich!«
    Tommy gefiel der »liebe Junge« nicht besonders.
    »Wenn Sie erlauben, Sir«, sagte er und nahm einen Stapel Bücher vom einzigen verfügbaren Stuhl.
    »Aber ja, aber ja! Werfen Sie sie einfach auf den Boden. Ich hatte nur was nachsehen wollen. Ich freue mich sehr, dass Sie gekommen sind. Sie sehen etwas älter aus als bei unserer letzten Begegnung. Aber Sie wirken recht gesund. Sie hatten keinen Herzinfarkt, nicht wahr?«
    »Nein«, sagte Tommy.
    »Nein? Na, sehr gut. Zu viele Leute haben es mit dem Herzen oder dem Blutdruck oder solchen Sachen. Arbeiten zu viel, das ist es. Sie rennen herum, erzählen allen Leuten, wie viel Arbeit sie haben und dass die Welt nicht ohne sie auskommt und wie wichtig sie sind und solchen Kram. Geht Ihnen das auch so? Na, vermutlich ja.«
    »Nein«, antwortete Tommy. »Ich halte mich nicht für wichtig. Ich finde – ja –, ich finde, dass es angenehm ist, jetzt ausruhen zu können.«
    »Das ist mal eine gute Idee«, stellte Oberst Pikeaway fest. »Der Ärger ist nur, dass die Leute es einem nicht erlauben wollen, sich auszuruhen. Wieso sind Sie in diesen Ort gezogen, in dem Sie jetzt wohnen? Ich habe den Namen vergessen. Sagen Sie es mir nochmal.«
    Tommy sagte es ihm.
    »Stimmt! Dann habe ich ja die richtige Adresse auf den Umschlag geschrieben.«
    »Ja. Ich habe Ihren Brief bekommen.«
    »Ich höre, dass Sie bei Robinson waren. Der hält sich gut. Er ist noch genauso fett wie früher und genauso gelb und reich oder sogar noch reicher. Der kennt sich ja auch mit Geld aus. Warum waren Sie bei ihm, alter Junge?«
    »Es ist so: Wir haben ein Haus gekauft und ein Freund meinte, Mr Robinson könnte uns bei der Aufklärung eines Geheimnisses helfen, das meine Frau und ich im Zusammenhang mit dem Haus entdeckt haben. Es ist eine Geschichte, die sehr weit zurückliegt.«
    »Ich erinnere mich jetzt. Ich glaube nicht, dass ich Ihre Frau je kennen gelernt habe, aber sie ist eine sehr kluge Person, nicht wahr? Sie hat damals erstklassige Arbeit geleistet – bei dem Spionagefall mit dem komischen Namen. Hörte sich an wie aus dem Katechismus. Ja! N. und M. das war

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