Alter schützt vor Scharfsinn nicht
Arbeit meine ich.«
»Es gab hier eine Familie Parkinson«, fuhr Tuppence fort. »Sie haben früher einmal in unserem Haus gewohnt.«
»Ach, dann gehört Ihnen das Haus oben auf dem Hügel? Lorbee r haus oder Katmandu – ich weiß nicht mehr, welches der augenblickliche Name ist. Hat es nicht auch mal Schwalbennest geheißen? Keine Ahnung, wieso.«
»Vermutlich, weil so viele Schwalben unter dem Dach ihr Nest gebaut hatten. Sie sind immer noch da.«
»Schon möglich, aber als Name für ein Haus kommt mir das komisch vor.«
Tuppence, die das Gefühl hatte, mit Mr Durrance sehr zufrieden stellende Beziehungen angeknüpft zu haben – obwohl sie sich keine großen Hoffnungen auf Ergebnisse machte –, kaufte ein paar Postkarten und einen mit Blumen verzierten Notizblock, verabschiedete sich und kehrte nachhause zurück. Sie ging die Auffahrt hinauf und bog auf den Pfad ab, der um das Haus führte, um sich noch einmal Ka-Ka anzusehen. Plötzlich blieb sie abrupt stehen. Es sah aus, als läge ein Bündel Lumpen vor der Glashaustür. Hatte sie sie etwa aus Mathildes Bauch geholt und dann vergessen, fragte sie sich.
Sie beschleunigte ihre Schritte und rannte nun fast. Als sie die Tür erreichte, blieb sie wie versteinert stehen. Es war kein Bündel alter Kleider. Die Kleider waren zwar alt, aber auch der Mann, der sie trug. Tuppence beugte sich zu ihm hinunter, richtete sich wieder auf und hielt sich mit einer Hand an der Tür fest.
»Isaac!«, flüsterte sie. »Isaac. Armer, alter Isaac! Ich glaube – oh, ich glaube, er ist tot!«
Jemand kam vom Haus her den Pfad entlang und Tuppence rief laut: »Albert, Albert! Es ist etwas Schreckliches passiert! Isaac, der alte Isaac… er liegt hier und er ist tot… und ich glaube – ich glaube, jemand hat ihn ermordet.«
21
D er Arzt hatte sein Gutachten abgegeben und zwei Männer, die am Gartentor vorübergegangen waren, hatten ebenfalls ausgesagt. Die Familienangehörigen wurden über Isaacs Gesundheitszustand befragt und Leute, die einen möglichen Grund zur Tat gehabt haben konnten, verhört. (Zwei junge Burschen, die mehrmals von Isaac aus einem Garten verjagt worden waren, beteuerten ihre Unschuld.) Einige ehemalige Arbeitgeber, darunter auch Mrs Prudence Beresford und ihr Mann, Mr Thomas Beresford, sagten ebenfalls aus. Alles verlief nach Vorschrift. Der Beschluss bei der gerichtlichen Untersuchung lautete auf vorsätzlichen Mord durch einen oder mehrere unbekannte Personen.
»Du hast deine Sache sehr gut gemacht, Tuppence«, sagte Tommy, als sie durch das Gartentor traten und zum Haus hinaufgingen. »Viel besser als die meisten andern. Du hast dich klar ausgedrückt und man konnte dich gut verstehen. Der Untersuchungsrichter schien sehr mit dir zufrieden zu sein.«
»Ich will nicht, dass jemand mit mir zufrieden ist«, sagte Tuppence. »Ich will nicht, dass der alte Isaac einen Schlag auf den Kopf bekommt und mir nichts, dir nichts ermordet wird!«
»Vermutlich hatte jemand was gegen ihn«, sagte Tommy.
»Aus welchem Grund?«
»Das weiß ich nicht.«
»Ich auch nicht. Ich frage mich, ob es etwa mit uns zusammenhängt.«
»Meinst du – wie meinst du das, Tuppence?«
»Das weißt du ganz genau. Es ist unser Haus, unser schönes neues Haus. Der Garten und alles. Es schien das ideale Haus für uns zu sein, nicht wahr? Wenigstens haben wir es geglaubt.«
»Ich glaube es immer noch.«
»Da bist du optimistischer als ich, Tommy. Ich habe das ungute Gefühl, dass etwas nicht stimmt. Irgendetwas, das weit in frühere Zeiten zurückreicht.«
»Sag ihn nicht!«, rief Tommy.
»Was soll ich nicht sagen?«
»Ach, den bewussten Namen.«
Tuppence senkte die Stimme, trat auf Tommy zu und flüsterte nahe an seinem Ohr: »Mary Jordan?«
»Eben. An sie habe ich gedacht.«
»Ich auch. Trotzdem: Was kann das Damals mit unserem Heute zu tun haben? Was kann die Vergangenheit noch für eine Rolle spielen? Sie kann doch nicht mehr bis in die heutige Zeit reichen?«
»Aber ja! Manchmal auf höchst seltsame Art und Weise, wie man es kaum vermuten würde. Ich meine, man glaubt nicht, dass so was geschehen könnte.«
»Du meinst, dass vieles als Folge von Ereignissen geschieht, die weit zurückliegen?«
»Ja. Es ist wie bei einer langen Kette. Wie bei einer der Ketten, die du trägst, immer wieder ein Stück leerer Faden und dann – in Abständen – eine Perle.«
»Wie damals bei Jane Finn, als wir jung waren und das Abenteuer suchten.«
»Und es auch gefunden
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