Altern Wie Ein Gentleman
positive Eigenschaften des Ehrenamts hat Peter damit schon aufgezählt. Andere wären: soziales Ansehen, neue Erfahrungen, Abenteuerlust, der Wunsch, Verantwortung zu übernehmen, oder die Sehnsucht nach Dankbarkeit.
Der Möglichkeiten, sich zu betätigen, sind viele: Wer auf seine alten Tage noch Entscheidungen fällen möchte, sich gerne reden hört und über organisatorische Talente verfügt, kann sich einer der unzähligen, oft lokalen Initiativen anschließen, die sich entweder gegen staatliche Vorhaben zur Wehr setzen oder – im Gegenteil – Neues bewirken wollen.
Wer unter Einsamkeit leidet und soziale Kontakte sucht, findet diese in der Obdachlosenarbeit, in Hospizen oder durch die Übernahme von Patenschaften.
Wem soziales Ansehen wichtig ist, wird sich auf Aids-Galas, bei UNICEF mit seinen prominenten Mitgliedern oder bei Freundeskreisen bedeutender Kultureinrichtungen engagieren. Ehrenämter in diesem Rahmen sammeln vor allem Geld für gute Zwecke, wie die »Freunde der Nationalgalerie«, die ihren freiwilligen Helfern in Berlin zusätzlich prächtige Vernissagen und erlesene soziale Kontakte bieten. Neben Zeit und Geld braucht man für solche Art von Engagement lediglich tadellose Manieren, ein lang fallendes Abendkleid oder ein Paar Hosen von elegantem Zuschnitt. Dies ist Idealismus in Vollendung, weil es Ansehen, angenehme Gesellschaft und Wohltat in sich vereint.
Prominente Zeitgenossen haben darüber hinaus die Möglichkeit, drittklassige Ehrenämter aufzuwerten, wie jüngst die Suppenküchen, bei denen nun auch Gutbetuchte und Berühmtheiten den Schöpflöffel schwingen und Bedürftigen tiefe Teller in die ungepflegten Hände drücken.
Die anspruchsvollsten Ehrenämter aber sind jene, bei denen es nicht um das Anliefern und Verteilen von Sachgütern, Nahrungsmitteln oder Geldbeträgen geht, sondern in denen emotionale Beziehungen aufgebaut werden. Die Kleiderkammer in der »Oase« kann von jedem und von wechselndem Personal verwaltet werden. Die Beziehung zwischen einem Heranwachsenden und einem Mietopa dagegen beruht auf Zuneigung und Verlässlichkeit. Wer hier geschenktes Vertrauen enttäuscht, wird hässliche Spuren hinterlassen.
Wer also ein Ehrenamt übernehmen möchte, der prüfe schonungslos und ungeniert, ob es zu ihm passt und welchen Ertrag er sich erhofft. Erst danach sollte man sich auf die Suche begeben, sorgsam abwägen und schließlich seine Wahl treffen. Sie wird in vielen Fällen falsch sein. Dann sollte man rasch und ohne Scheu das Engagement aufgeben und weitersuchen. Denn im Gegensatz zu der Arbeit von Sozialbehörden, auf die der Bedürftige ein Anrecht hat, kann ein Ehrenamt jederzeit aufgegeben und beiseitegelegt werden. Es kommt also darauf an, sich freiwillig und trotzdem verbindlich und auf Dauer einzulassen.
Wer nur mit guter Absicht und vollem Herzen ausgestattet ein Ehrenamt anstrebt, muss großes Glück haben, spontan das Richtige zu finden. Eher wird er scheitern und nach kurzer Zeit ein Engagement abbrechen, das ihm nicht genügend zurückgibt. Wer aber seinen Platz gefunden hat, der darf mit schönem Zugewinn rechnen. »Wenn du älter wirst«, vertraute mir ein ehrenamtlicher Betreuer während einer Skifreizeit für Heimkinder an, »kommt man leicht in dunkles Nachdenken. Die Arbeit mit den Jugendlichen hat mir den Lebensmut zurückgegeben. Dafür bin ich ihnen dankbar. Die ahnen natürlich nichts. Aber das bleibt unter uns!«
Der ideale Ehrenämtler lebt, ohne es zu wissen, nach der Einsicht des französischen Moralisten La Rochefoucauld, dem Vertreter einer realistischen Ethik, der einst nüchtern feststellte: »Unsere Tugenden sind meist nur verkleidete Laster.« Hinter unseren vorbildlichen Handlungen verbergen sich demnach oft Eigeninteresse und Eigenliebe. Edelmut und Mildtätigkeit sind häufig nur Abfallprodukte unseres Egoismus. Es wäre also schlecht bestellt um die Mitmenschlichkeit, wenn es jenen hübschen Begriff von der »List der Vernunft« nicht gäbe, die die Amerikaner plakativ »win-win-situation« nennen. Gemeint ist eine Konstellation, bei der durchaus unterschiedliche Interessen sich listig miteinander verschränken, so dass alle Beteiligten Nutzen daraus ziehen können. Beim Ehrenamt ist sie die Grundlage allen Engagements und die Voraussetzung, damit aus der guten Tat langfristige Verpflichtung wird.
Schließlich kann das Ehrenamt dem Alltag des Einzelnen Halt und dem Leben Sinn geben. Die meisten von uns haben Jahrzehnte in der
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