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Altern Wie Ein Gentleman

Titel: Altern Wie Ein Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Kuntze
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sicheren Obhut von beruflichen Anforderungen und häuslichen Pflichten verbracht. Freie Zeit war knapp bemessen und schnell verbraucht. Nun steht man inmitten einer großen Ungebundenheit. Die vertrauten Stützen, die bislang den Tag befestigt hatten, sind über Nacht weggebrochen. Vor uns liegt eine weithin unbekannte Landschaft ohne Wegweiser und Anhaltspunkte, wohin es gehen soll.
    Ehrenämter können streckenweise die verlorenen Leitplanken ersetzen. Der Terminkalender füllt sich wieder, es gibt guten Grund, morgens aufzustehen und das Haus zu verlassen. Dinge sind pünktlich zu erledigen, und das angenehme Gefühl, wichtig zu sein, stellt sich wieder ein. Man steigt aus der protestantischen Ethik aus und kommt im Ehrenamt an.
    Natürlich schränkt das Alter den Tatendrang ein. Organisationen wie Greenpeace haben bereits auf die nachlassende Spannkraft reagiert und das »Team50plus« gegründet. »Auch wenn sie nicht mehr in Schlauchbooten Walfängern hinterherjagen oder sich von Schornsteinen abseilen – mit ihrer Hartnäckigkeit und einem hohen Maß an Glaubwürdigkeit sind die Älteren eine Bereicherung für Greenpeace«, erklärte dessen Sprecherin 2006 zum zehnjährigen Bestehen der grauhaarigen Aktivistentruppe.
    Wer Fachkraft mit realen Talenten ist, kann sich auch beim »Senior Experten Service« (SES) , einer Stiftung der Deutschen Wirtschaft für internationale Zusammenarbeit, bewerben. Die Organisation, die seit mehr als fünfundzwanzig Jahren besteht, schickt Fachleute in Schwellenländer, wo sie einheimischen kleinen und mittleren Unternehmen helfen, auf eigenen Beinen zu stehen. Hier kommen der Wunsch nach Abenteuern und sinnvollem Einsatz erworbener Fähigkeiten auf der Geberseite mit dem Bedürfnis nach Hilfe und der Hoffnung auf Technologietransfer auf der Nehmerseite nahtlos zur Deckung. Gesucht werden Rentner, die praktisch anpacken können, sich mit bescheidener Unterbringung abfinden und mit einem geringen Taschengeld zufrieden sind. Jüngsten Daten zufolge hat der SES seit seiner Gründung in 147 Ländern mehr als einundzwanzigtausend Einsätze organisiert.
    Mein Nachbar, der als Rentner jahrelang im südlichen Afrika nach Wasser gesucht hatte, bis ihn ein Sturz in den Rollstuhl zwang, schwärmt auch Jahre später noch von dieser Zeit: »So viel Verantwortung und erfüllte Hoffnungen und Dankbarkeit habe ich noch nie erlebt. Es war mir damals, als ob das Leben neu beginnt. Es war meine schönste Zeit, und ich hatte bis dahin keine schlechte.«
    Daheim in Deutschland ist die »Kompanie des guten Willens« im Einsatz, eine Seniorenarbeitsgemeinschaft der evangelischen Männerarbeit. Sie entstand Mitte der sechziger Jahre, als die Klöcknerwerke einen Teil ihrer Stahlproduktion einstellten. Die entlassenen Arbeiter, die plötzlich und unfreiwillig zu Rentnern geworden waren, gründeten damals die »Kompanie« und führen seither in Einrichtungen der Wohlfahrtsverbände unentgeltlich handwerkliche Arbeiten aus.
    Diese männlich dominierten Einrichtungen ergänzt seit Ende der achtziger Jahre das Hamburger »Expertinnen-Beratungsnetz«. Dort sind Frauen im Ruhestand bemüht, jüngeren den Weg in das Berufsleben zu erleichtern. Inzwischen gibt es Beratungsstellen auch in anderen Städten wie Berlin, Köln oder München.
    Die Ehrenämter sind so zahlreich und vielfältig wie das Leben selbst. In dem unübersehbaren Angebot findet sich für jeden etwas. Wenn die Suche dennoch vergeblich gewesen sein sollte, besteht stets die Möglichkeit, eine eigene Organisation zu gründen. An Bedürftigen ist kein Mangel, und sie werden mehr. Wer trotzdem untätig bleibt, muss gute Gründe haben, denn Untätigkeit wird sich meine Generation in Zukunft nicht mehr leisten dürfen.
    Der umtriebige Henning Scherf, einst Bremens Bürgermeister und eine unüberhörbare Stimme im Chor der fröhlichen Alten, hat behauptet, diese seien die Lösung des Problems der niedrigenGeburtenrate, der steigenden Lebenserwartung und von deren Folgekosten.
    Das ist nur zum Teil richtig. Wir sind in erster Linie das Problem selbst und können dessen Lösung sein – vorausgesetzt, wir bekennen uns zu den Pflichten, die sich aus unserer Hinterlassenschaft notwendig ergeben. Das Ehrenamt ist ein vorzügliches Mittel, dieser Verantwortung gerecht zu werden. Es entlastet die Kassen der nachfolgenden Generationen und führt dem Sozialsystem kostenlose Arbeitskräfte zu, die es sonst nicht mehr bezahlen könnte. Ohne diesen Dienst aus

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