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Altern Wie Ein Gentleman

Titel: Altern Wie Ein Gentleman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sven Kuntze
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Ausnahme jenes Teils unserer Vergangenheit, den man den intimen nennt.
    Meinem Rückgriff auf alte Freunde und verblichene Bekanntschaften lag die Einsicht zugrunde, dass es einsamer in meiner Hütte geworden war, nachdem ich mit dem stolzen Satz meiner Mutter im Herzen: »Kehr niemals zurück, du störst«, meinen Arbeitsplatz für immer verlassen hatte. Bis dahin hatte ich die Kameraderie zwischen Kollegen und den vertraulichen Klatsch über Vorgesetzte für den Beginn dauerhafter Beziehungen gehalten und übersehen, wie oberflächlich, zweckgerichtet und flüchtig die berufliche Verbundenheit oft ist. Jahrelang mit der perspektivlosen Kollegenpflege beschäftigt, hatte ich andere Kontakte vernachlässigt. Jetzt, in Rente, sollte nachgerüstet werden.
    Einige Bemühungen blieben indes erfolglos. Der erste, telefonische Kontakt begann dann mit ratlosem Schweigen, gefolgt von der mühsamen Suche nach Erinnerungsspuren und einem gemeinsamen Thema bis zu den kühlen Fragen: »Warum rufst du an? Was kann ich für dich tun?«
    Nichts! Außer unverbindlichen Wünschen für die Zukunft.
    Andere alte Freunde hatten sich so sehr verändert, dass Gemeinsamkeiten nicht mehr zu entdecken waren. Auch mit ihnen blieb die Kontaktaufnahme kurz und einseitig. Aber die positiven Erfahrungen überwiegen. Mein soziales Netz ist seit meinem Ausscheiden aus dem Berufsleben um einige kostbare Maschen dichter geworden.
    Die Geißeln des Alters sind, in dieser Reihenfolge, Einsamkeit und Siechtum. »Allein sind viele etwas irr. Wir können nicht lange allein sein. Man langt damit nicht aus, in der allzu eigenen Bude ist es nicht geheuer«, begründet Ernst Bloch die lebensnotwendige Geselligkeit. Geht sie in ihrer unendlichen Vielfalt dem Menschen verloren, verliert er sich. In der schlichten, aber tiefen Sprache der Bibel heißt es deshalb bei Salomon: »Niemand kann alleine warm werden.« Die Menschen müssen sich zusammentun, damit sie existieren können.
    »Ich bin von allen verlassen worden«, klagt traurig und ratlos eine betagte Dame im »Rosenpark«, die ihren Mann und ihre Alterskohorte überlebt hat. »Jetzt würde ich gerne das Licht ausmachen und die Tür hinter mir schließen, aber man lässt mich noch nicht.«
    Ihre Nachbarin hingegen ist in stete und heftige Gefechte mit ihrem Ehemann verwickelt. Bestellt er sich paniertes Schnitzel zum Mittagessen, wird sie vernehmlich die Unvernunft dieser Entscheidung tadeln. Isst sie ein Stück Kuchen, beklagt er ihre Körperfülle. Beim gemeinsamen Gang über die langen Flure des Hauses drängt er seine gehbehinderte Frau zu höherem Tempo. Erzählt einer der beiden eine Geschichte aus gemeinsamer Vergangenheit, wird der andere unweigerlich korrigierend eingreifen. Beim abendlichen Fernsehen haben »wir uns noch nie einigen können«, klagt sie, »einer mault immer«. Trotzdem ist ihre »größte Furcht die, meinen Mann zu verlieren, wenn er vor mir sterben sollte. Allein sein, das wäre für mich das schlimmste Elend.«
    Einsam ist, wer keine Chancen auf soziale Kontakte hat, wenn er ihrer bedarf. Einsamkeit ist die unschöne Kehrseite des Verlangens nach Ruhe und Zurückgezogenheit, die im Alter zu wichtigen Begleitern durch den Alltag werden. Das Allmähliche, einst der Gegenspieler von Karriere und Geschäftigkeit, gewinnt an Anziehungskraft und ist die passende Gangart für die schwächer werdenden Sinne.
    Das Bedürfnis alter Leute, einige Zeit für sich zu sein, ist gelegentlich als Wunsch nach Einsamkeit verstanden worden. Ihr plötzlicher Rückzug selbst aus lebhaften Gesprächssituationen und die oft knapp bemessene Aufmerksamkeitsspanne, derer alte Menschen fähig sind, gelten als Bestätigung für diese Vermutung. Nichts könnte unrichtiger sein. »Alles Leben ist Begegnung«, denn der Mensch wird erst »im Du zum Ich«, heißt es knapp, aber erschöpfend bei Martin Buber, der damit die gesamte Lebensspanne gemeint hat.
    Einsamkeit ist bedrohlich. »Sie greift nach dir und nimmt dich zu sich«, erzählte mir ein alter Mann beim Schachspielen im »Rosenpark«. »Es ist sehr seltsam, was da in einem vorgeht. Man muss es durchlebt haben, um zu begreifen, was sie in einem anrichtet. Du wirst kalt. Du frierst. Du bleibst allein mit deinen traurigen Gedanken, denen du nicht entkommen kannst. Sie verfolgen dich und sind immer zur Stelle. Ich habe einige Krankheiten hinter mich gebracht, an anderen leide ich noch. Aber das schlimmste ist die Einsamkeit.«
    Hinzu kommt häufig eine

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