Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
werden zusehen, dass wir keinem Foltergeist begegnen. Mehr können wir nicht tun.«
Floyd seufzte. Mit dem Willen allein war es nicht getan. Dennoch beharrte er nicht weiter auf seinem Standpunkt. Er wusste, dass diese beiden sich nicht umstimmen lassen würden.
Er legte ihnen kurz die Hand auf die Schulter und ließ sie allein.
Plusch legte sich neben Ambre und Tobias, leckte ihnen die Hand und stieß einen traurigen Seufzer aus.
Auch sie würde ihr Herrchen vermissen.
Am nächsten Morgen gingen Floyd, Tania, Chen, vier Hunde und die zehn Überlebenden aus dem Schloss Frontenac an Bord des Segelschiffs und machten sich auf den Weg nach Eden.
In der Nacht hatten sie Amy und Bastien im Schlosshof begraben und zum Gedenken an Charles-Philippe Osmond ein drittes Kreuz aufgestellt, auch wenn für ihn kein Grab ausgehoben war.
Tobias hatte nicht gewollt, dass sie ein Kreuz für Matt errichteten. Er weigerte sich zuzugeben, dass er tot sein könnte.
Für immer verschwunden.
Plusch und Gus standen neben Ambre und Tobias auf dem Kai.
Sie würden ihre Reise fortsetzen.
Ambre drückte Tobias’ Hand, während sich das Schiff langsam vom Ufer entfernte. Beide klammerten sich an einen letzten Funken Hoffnung.
Sie blickten dem Segelschiff hinterher, das schon bald vom grauen Nebel verschluckt wurde. In der Ferne vor ihnen im Dunst zuckten Blitze, begleitet von einem dumpfen Grollen.
Der Norden wartete auf sie.
Die rotblauen Blitze in der finsteren Wolke.
Gagöl.
Ggl.
45. Missglückte Verabredung
Z elie blickte durch das runde Fenster in ihrem Zimmer hinaus auf die Landschaft. Der Blinde Wald rahmte die Festung zu beiden Seiten ein. Er bestand aus immer höher aufragenden Bäumen, die hintersten waren größer als Berge. Zelie lebte in einem düsteren Gemäuer, in das selbst mitten am Tag kaum ein Sonnenstrahl drang.
War ihre Schwester sicher in Babylon angekommen?
Auf dem Rücken des Hundes dürfte sie zwei, höchstens drei Tage für den Hinweg brauchen, und mittlerweile war sie seit fünf Tagen fort.
Fünf lange Tage, an denen Zelie dem Unschuldstrinker allein gegenübertreten musste. Und fünf lange Nächte, in denen sie sich schlaflos im Bett herumwälzte, weil sie wusste, dass unter ihr in der Kloake Pans gequält wurden und sie nichts dagegen tun konnte.
Sie war hundemüde. Noch dazu fürchtete sie ständig, einen Fehler zu begehen, nicht wachsam genug zu sein und ein Anzeichen dafür zu übersehen, dass der Staatsstreich kurz bevorstand.
Um sich etwas Zeit zu verschaffen, hatte Zelie dem Unschuldstrinker erklärt, dass er sich keine Sorgen machen solle, wenn seine Patrouillen nördlich des Passes der Wölfe Trupps von Pan-Soldaten begegneten. Edens Armee führe einige Manöver durch. Mit dieser Behauptung wollte sie ihn zum Abwarten zwingen.
Als sie ihm diese Nachricht überbracht hatte, war dem Unschuldstrinker fast die Luft weggeblieben. Er hatte erwidert, dass es sehr unvorsichtig sei, Einheiten ihrer Armee in der Nähe des neutralen Gebiets zu stationieren, dies könne falsch interpretiert werden.
Dabei hatte Zelie einen Glanz in seinen Augen gesehen, der ihr stark missfiel. Sie hatte den Eindruck, dass er sie durchschaute. Dass er die Lüge, die Manipulation erkannte.
Wusste er, dass sie sein Geheimnis entdeckt hatten?
Ein Bote klopfte an die Tür und überreichte ihr eine Nachricht.
»Wir müssen uns sehen. Heute Abend nach Sonnenuntergang am Bootssteg. Tim«
Zelie runzelte die Stirn. Ihre Lüge hatte wohl tatsächlich nicht die gewünschte Wirkung gehabt. Hatte der Unschuldstrinker beschlossen, rascher zu handeln?
Sie würde bis zum Abend warten müssen, um Genaueres zu erfahren.
Zelie wickelte sich enger in ihren Mantel.
Es war recht kalt.
In der Dunkelheit schimmerte der Fluss tintenschwarz.
Aus Babylon gelieferte Fässer stapelten sich auf dem Kai, und daneben stand eine wohlbekannte Gestalt.
Tim drückte sich in den Schatten der Fässer, damit man ihn von weitem nicht sofort sah. Zelie bemerkte, dass er auch die Fackeln gelöscht hatte. Das war ein Fehler. Früher oder später würden die Wachen der Erwachsenen die fehlende Beleuchtung bemerken und misstrauisch werden.
Überhaupt war es seltsam, dass er sie hier treffen wollte, fiel ihr jetzt auf. Ausgerechnet in dem Teil der Festung, der von den Erwachsenen genutzt wurde, anstatt im Hoheitsgebiet der Pans.
»Tim«, sagte sie beim Näherkommen, »bleiben wir nicht hier.«
»Es tut mir leid«, antwortete er.
»Was tut dir
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