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Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Titel: Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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die Wände dieser Grotte einschlagen und hoffen, ausgespuckt zu werden, um oben weiter nach Antworten auf seine Fragen zu suchen.
    Aber alles, was er über seinen Vater und den Sturm wissen wollte, befand sich wahrscheinlich irgendwo hier, im Gehirn des Foltergeists, in seinem Geist.
    Denn wenn er tatsächlich dem Torvaderon ähnelte, wurde jede seiner Lebensfunktionen und Organe von einem symbolischen Wesen oder Ort im Inneren des Monsters dargestellt.
    Dafür, dass dieser Ort symbolisch ist, ist er ganz schön real …
    Matt ging an der Spinne vorbei. Er wollte einen Blick nach draußen werfen. Das wäre immerhin ein Anfang, sich vergewissern, dass seine Vermutung richtig war.
    Er kletterte zum Eingang der Grotte und blickte auf eine graue Landschaft hinab, die von zerklüfteten Hügeln umgeben war. Er selbst befand sich auf einem dieser Hügel. Weiter hinten zitterte ein finsterer Wald unter dem schwarzen Himmel.
    Stumme Blitze zuckten über dieses Niemandsland, diese Zwischenwelt. War sie der Ursprung der Wesen, die mit Ggl in Verbindung standen?
    Matt war diese Landschaft vertraut. Er war darin schon einmal herumgestreift, und zwar, als er im Inneren seines Vaters gefangen gewesen war. Wie im Torvaderon gab es auch im Inneren des Foltergeists verschiedene Orte und Wesen, die für gewisse Lebensfunktionen zuständig waren. Tobias hatte ihm das alles genau erklärt. Sein Freund hatte einige Zeit im Inneren des Torvaderon festgesessen.
    Die Spinne war der Verschlinger. Sie zersetzte die Nahrung im Magen. Die Blitze waren die Kraft. Alles, was da kreuchte und fleuchte, war das Immunsystem. Die Insekten bekämpften Eindringlinge, und man musste ihnen um jeden Preis ausweichen. Und irgendwo verbarg sich das Herz des Foltergeists. Es hatte die Form eines Mobiles – ein Gebilde aus kleinen Gegenständen, die sich um eine unsichtbare Achse drehten – und wurde von einer eigenen Kraft angetrieben.
    Und seine Seele?
    Die Seele des Torvaderon war sein Vater gewesen.
    Wer war die Seele des Foltergeists?
    Matt ballte die Fäuste. Er musste sie finden. Es war eine unverhoffte Gelegenheit, diese Wesen und ihren Herrn zu verstehen. Und vielleicht sogar zu erfahren, warum sie ihn verfolgten.
    Seine Entscheidung stand fest. So verrückt sie auch war.
    Er trat ins Freie und kletterte über den felsigen Hang in die Ebene hinab. Dabei achtete er penibel darauf, keinen Steinschlag auszulösen und nichts zu tun, was das Immunsystem alarmieren könnte. Dank der über den Himmel zuckenden Blitze konnte Matt sehen, wohin er die Füße setzte.
    Der Abstieg kam ihm endlos vor.
    Er verspürte keine Müdigkeit, nur eine gewisse Lustlosigkeit. Nach einer Weile war er es einfach leid, bergab zu gehen. Er blickte immer noch auf die Ebene hinab. Es war, als hätte er sich gar nicht von der Stelle bewegt, auch wenn die Grotte mit dem Verschlinger mittlerweile weit hinter ihm lag.
    Matt setzte seinen Weg ohne Pause fort. Er wusste nicht, wie lange er schon so dahinlief. Waren es Stunden oder gar Tage?
    Als er endlich den Rand der Ebene erreichte, ging ihm durch den Kopf, dass er wahrscheinlich viel länger unterwegs gewesen war, als ein Mensch es normalerweise aushielt. Trotzdem verspürte sein Körper nicht die geringste Erschöpfung, und er hatte weder Hunger noch Durst. Sein Organismus befand sich in einer Art Koma; er hing in der Leere und wartete darauf, entweder von der Spinne verdaut oder wieder zum Leben erweckt zu werden.
    Tobias hatte ihm erzählt, dass sich das Herz des Torvaderon in einer Hütte mitten in dem schaurigen Wald befand. Daher beschloss er, auf die Bäume zuzugehen, die er zu seiner Rechten sah. Die Ebene erstreckte sich schier endlos vor ihm, sie war noch länger als der Hang, den er hinabgestiegen war. Vor ihm lag ein Weg, der ihn an den Rand des Wahnsinns treiben würde.
    Aber ich muss es wissen.
    Also lief er los.
    Mit gleichmäßigen Schritten. Immer weiter.
    Der Boden war staubig, leblos, rissig wie der Grund eines ausgetrockneten Meers. Der Weg zog sich in die Länge, aber er ging einfach weiter, ohne sein Tun zu hinterfragen, wie hypnotisiert von den eigenen Schritten. Jegliches Zeitgefühl war ihm abhandengekommen, und irgendwann wusste er nicht mehr, ob er sich tatsächlich vorwärtsbewegte oder nur träumte, dass er vorwärtsmarschierte.
    Hunderte, nein, Tausende von blassen Sternschnuppen huschten über den Himmel. Matt bemerkte, dass sie sich alle in dieselbe Richtung bewegten, absolut parallel zueinander.

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