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Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Titel: Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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erhandelten als Gegenleistung kleine Dienste. Es gab auch jede Menge zu essen. Der ganze Bazar roch nach Gegrilltem, sei es nach Fleisch oder nach jenen Insekten, die wegen des Geräusches, das sie zwischen den Zähnen erzeugten, »Knacknüsse« genannt wurden. Die Pans waren ganz verrückt danach.
    Der Gegensatz zwischen der allgemein guten Laune und dem, was er selbst empfand, war für Matt kaum zu ertragen.
    In der Zeit vor Weihnachten und dem ersten Jahrestag des Sturms, der ihr Leben jäh veränderte, hatten die Pans ausführlich debattiert, was sie tun sollten. Konnten sie Weihnachten ohne die Erwachsenen feiern in dem Wissen, dass der Sturm ein Jahr zuvor über die Welt hereingebrochen war? War das anständig?
    Nach langen Diskussionen hatte der Rat von Eden – dem Wunsch der Allgemeinheit folgend – verkündet, dass von nun an jedes Jahr ein großes Fest zum Gedenken an ihr altes Leben abgehalten würde, um nie, auch nicht in einem Jahrhundert, zu vergessen, dass die Erde sich an diesem Tag radikal verändert hatte. Man beschloss, diese Zeit des Jahres lieber feiernd zu verbringen als in völliger Leugnung der Ereignisse.
    Die ganze Stadt hatte sich mit einer Tatkraft an die Vorbereitung des Festes am 25. und 26. Dezember gemacht, wie man sie seit dem Krieg nicht mehr gesehen hatte.
    Matt spürte die gute Laune der anderen, die fast an Sorglosigkeit grenzte, als wollten sie zumindest ein paar Tage lang all das vergessen, was sie umgab und was sie durchgemacht hatten.
    Die ersten Wochen nach dem Krieg waren wirklich schwierig gewesen, zum einen wegen der zahlreichen Verletzten, von denen viele für den Rest ihres Lebens nicht nur körperlich, sondern auch seelisch verkrüppelt bleiben würden. Viele Pans waren nach dem Kampf gegen die Erwachsenen, ihre eigenen Eltern, traumatisiert. Manche von ihnen hatten Zyniks verstümmelt und getötet. Es war nicht leicht, mit so etwas fertig zu werden. Sich jeden Abend mit den Bildern von Gewalt, Blut und der Erinnerung an die Schreie schlafen zu legen. Vor allem nicht, wenn man noch ein Kind war.
    Matt konnte ein Lied davon singen.
    Im Laufe der Monate war er durch die wiederholten Kämpfe gegen Monster, ob nun menschlich oder nicht, in eine Art Spirale hineingeraten, die ihn blind werden ließ. Sie hatte mehr und mehr seine Empfindsamkeit und sein Mitgefühl ausgeschaltet.
    Er hatte sich abgehärtet, vielleicht zu sehr. Als er nach dem Krieg viel Zeit mit Ambre verbracht hatte, war ihm das immer wieder aufgefallen.
    Jetzt, da er nicht mehr vom Adrenalin, der Angst und dem Überlebensinstinkt beherrscht wurde, ging ihm auf, wie brutal er selbst im Krieg gewesen war.
    Und das erschreckte ihn.
    Aber was ihm mehr als alles andere Kopfzerbrechen bereitete, war sein dringender Wunsch, wieder loszuziehen. Dieses Bedürfnis, unterwegs zu sein, Landschaften zu sehen, Menschen kennenzulernen …
    Er hatte Lust, morgens aufzustehen, ohne zu wissen, was der kommende Tag bringen würde.
    Aber die Welt war barbarisch, das wusste er besser als jeder andere. Wenn er den Westen auskundschaftete, würde er sich in Gefahr bringen und wieder von seinem Schwert Gebrauch machen müssen, das ihm schon manches Mal das Leben gerettet hatte.
    Er würde wieder rohe Gewalt anwenden.
    Es würde wieder Blut fließen.
    Um zu überleben , sagte er sich, nur zu meinem eigenen Schutz .
    Aber woher kam dann diese Lust auf Abenteuer?
    Bei seiner Wanderung durch die Straßen fiel ihm jetzt auf, wie sehr sich alle an das behütete Leben in Eden gewöhnt hatten. Alle liebten die Normalität und Ruhe. Sie genossen die Gewissheit, dass der morgige Tag bestimmt genauso werden würde wie der heutige.
    Neben ihm lachte eine Gruppe von Jungen und Mädchen zwischen acht und fünfzehn Jahren laut auf.
    Matt betrachtete sie wehmütig.
    Melchiot hatte recht gehabt.
    Er hatte angeordnet, dass sie den Vorfall am nördlichsten Vorposten unerwähnt lassen sollten. Fürs Erste zumindest. Tania und Matt waren zunächst nicht einverstanden gewesen, weil sie fanden, dass alle Pans davon erfahren mussten. In Eden sollte es keine Geheimnisse geben.
    Aber Melchiot hatte darauf bestanden, damit die Feier nicht von Angst überschattet wurde. Dies sei die Aufgabe der Mitglieder des Rates: die richtigen Entscheidungen für das Wohl des ganzen Volkes zu treffen. Melchiots letzte Sätze hallten noch in Matts Kopf nach: » Dafür sind wir da. Schicksalsschläge einstecken und Entscheidungen treffen. Die meisten Pans würden nicht

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