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Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)

Titel: Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Maxime Chattam
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Meter entfernt in eine auf eine Bretterwand gemalte Zielscheibe.
    »Hervorragend!«, rief Tobias begeistert. »Los, weiter, sobald der erste Pfeil in der Luft ist, müsst ihr den nächsten einspannen!«
    Tobias musterte seine Schüler mit strengem Blick, zwei Dutzend Mädchen und Jungen, deren geschickter Umgang mit Pfeil und Bogen sie zu ihm geführt hatte. Die künftigen Jäger von Eden.
    Er überprüfte ihren festen Stand und ihre aufrechte Haltung und vergewisserte sich, dass der Arm, der den Bogen hielt, eine gerade Linie bildete mit dem, der die Sehne zog. Schütze und Bogen mussten ein »T« bilden, das beim Abschuss nicht ins Wanken geriet. Bei manchen verbesserte er die Haltung, schob hier einen Ellbogen hoch, tippte da mit der Spitze seines Bogens gegen ein Knie.
    Tobias war stolz auf sein Amt, fühlte sich zugleich aber sehr unsicher. Denn obgleich er alles über das Bogenschießen wusste, so war ihm diese Fähigkeit doch nicht in die Wiege gelegt. Seine Schnelligkeitsalteration ermöglichte es ihm, mehr Pfeile pro Minute abzuschießen als jeder andere, aber es fehlte ihm immer noch an Zielgenauigkeit.
    Und jetzt war Ambre nicht mehr an seiner Seite.
    Er hatte seinen Schülern die Bewegungen unzählige Male gezeigt, er hatte mit Hilfe seiner Alteration die Geschosse abgefeuert, um sie zu unterhalten, aber niemals einen Pfeil in Richtung einer Zielscheibe geschickt. Er war sich unsicher, ob er sie ohne die Hilfe seiner Freunde treffen würde.
    Bei genauerem Überlegen wusste er, dass es wenig wahrscheinlich war. Er war einer jener Lehrer, die in der Theorie unschlagbar waren, von der Praxis aber keine Ahnung hatten.
    Er hatte den Eindruck, ein Schwindler zu sein.
    Die Pans wurden ungeduldig.
    Er befahl ihnen, die Bogen zu spannen und die Zielscheibe ins Visier zu nehmen. In diesem Moment lenkte ihn eine Bewegung am Himmel ab: Ein schwarzer Vogel kreiste über ihnen. Ein Rabe.
    Mensch, ist der groß! , dachte Tobias.
    Der Vogel kreiste über ihnen, als wolle er sich gleich auf seine Beute stürzen.
    Was ist bloß mit ihm los? Es scheint ihm irgendwie nicht gutzugehen .
    Der keuchende Atem eines Bogenschützen erinnerte Tobias an seine Übung. Die Arme mehrerer Schützen begannen zu zittern.
    »Visiert euer Ziel an und haltet die Luft an«, sagte er. »Schießt!«
    Die Pfeile sausten pfeifend davon.
    Nur ein Drittel traf die Zielscheibe.
    Es war seine Schuld, Tobias wusste es, er hatte sie zu lange mit angewinkeltem Arm warten lassen. Die lange Anspannung der Muskeln hatte sie zu sehr erschöpft.
    Er hob den Kopf und suchte nach dem Raben, doch der war verschwunden. Er war nirgendwo an Himmel zu sehen, einfach weg. Tobias ließ den Blick über die Baumkronen schweifen.
    Wo ist er hin? Gerade war er doch noch über uns!
    Es war ziemlich idiotisch, sich wegen irgendeines Vogels so aufzuregen, aber er konnte nicht anders: Er spürte instinktiv, dass irgendetwas nicht stimmte. Das Tier hatte seine Aufmerksamkeit erregt, vor allem aber sein Misstrauen geweckt.
    »Oh, der Vogel da ist echt komisch!«, rief plötzlich einer der Schüler und deutete mit dem Bogen auf einen toten Baum, der von einem Blitzeinschlag gespalten war.
    Der Vogel hockte auf der Spitze des zersplitterten Stammes. Seine kreisrunden schwarzen Augen starrten die Pans an. Aus der Nähe erkannte Tobias, dass sein Gefieder merkwürdig glänzte. Wie Vinyl.
    »Was will der von uns?«, fragte eine Jugendliche.
    »Keine Ahnung«, antwortete ein anderer, »aber er kriegt alles mit, was wir machen.«
    »Red doch keinen Quatsch! So ein Tier versteht doch nichts!«, rief ein Dritter.
    Tobias ging an ihnen vorbei und bedeutete ihnen mit einer Geste zu schweigen. Dann näherte er sich langsam dem Baum.
    Der Vogel neigte den Kopf, als wäre er von der plötzlichen Bewegung überrascht. Dann richtete er sich wieder auf und stierte auf die jungen Bogenschützen.
    Einen Augenblick lang hatte Tobias den Eindruck, dass er sie zählte, denn der kleine dunkle Kopf hob und senkte sich unmerklich vor jedem Pan.
    Das war wirklich mehr als seltsam.
    Tobias war Experte auf dem Gebiet. Vor dem Sturm war er bei den Pfadfindern einer der besten Vogelkundler gewesen und kannte die meisten Arten und Familien. Und der hier, ganz offensichtlich ein Rabe, benahm sich äußerst merkwürdig.
    Tobias hatte nun die Hälfte des Wegs zu dem Baumstamm zurückgelegt.
    Plötzlich stieß der Vogel ein schauriges Krächzen aus und entfaltete seine Flügel.
    Er war drauf und dran,

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