Alterra: Der Herr des Nebels: Roman (German Edition)
sei es bei meinen Freunden, in der Schule oder sogar in meiner … Familie, wenn man das überhaupt so nennen kann. Heute weiß ich, wer ich bin und was ich will. Ich lebe mein Leben, und man respektiert mich für das, was ich bin.«
Tania stieß einen bewundernden Pfiff aus.
»Mensch, da hast du ja eine ganz schöne Entwicklung durchgemacht!«
»Ich habe vor allem begriffen, dass es nicht wichtig ist, wie man lebt, sondern zu wissen, warum man lebt.«
»Ziemlich seltsame Einstellung in einer unwirtlichen Welt wie der unseren, wo wir jeden Tag um unser Überleben kämpfen müssen!«
»Stimmt, es ist ein philosophischer Luxus. Aber dieser Gedanke gibt mir jeden Morgen Kraft. He, ihr zwei, das Wasser kocht seit fünf Minuten!«
Sie warfen eine Handvoll Nudeln in den Topf, während die Hunde herbeisprangen und sich mit einem zufriedenen Grunzen zu ihren Füßen niederließen.
Als sich die drei Mädchen neben den rauchenden Überresten des Feuers niedergelegt hatten, beobachtete Ambre Amy beim Einschlafen.
Für die Weitwanderin war die Vorstellung grausam, dass der Geist ihrer Eltern in der Nacht des Sturms ihren Körper verlassen hatte und sie zu Mampfern geworden waren, hässlichen Kreaturen ohne Sinn und Verstand. Und vielleicht lebte der Geist ihrer Eltern sogar noch irgendwo in den Seiten einer Bibel fort, eingeschlossen in einer Kirche. Wenn dies der Fall war, erinnerten sie sich nicht mehr an ihr altes Leben, und es war unwahrscheinlich, dass sie die Stimme ihrer Tochter wiedererkennen würden.
Ambre ballte die Fäuste.
In diesem kurzen Moment der Einsicht wurde ihr klar, dass sie lieber über das Unglück anderer nachdachte als über ihr eigenes.
Ihre Vergangenheit.
Ihren Vater.
War er noch irgendwo am Leben?
Ein Zynik ohne Erinnerungen?
Würde er sie erkennen, wenn sie ihm begegnete?
Würde er Liebe für seine Tochter empfinden?
Das hat er doch früher auch nicht, warum sollte es jetzt anders sein?, dachte Ambre wütend.
Nein, es war besser, diesen Mann als tot zu betrachten. Das hatte sie bereits vor dem Sturm getan, und es gab keinen Grund, daran etwas zu ändern.
Die Eltern der Pans waren alle auf die eine oder andere Weise gestorben. Das mussten sie akzeptieren und darüber hinwegkommen.
Ambre schloss die Augen.
Die Nacht würde die Schatten der Vergangenheit vertreiben.
25. Fort Strafe
A cht Tage lang setzten die Gemeinschaft der Drei und ihre Freunde den Marsch in Richtung Norden fort. In Begleitung der schwerbeladenen Hunde ging es in flottem Tempo voran.
Im Laufe der Woche veränderte sich das Wetter, die Luft kühlte merklich ab, vor allem nachts. Inzwischen schliefen sie dicht aneinandergedrängt, und die Hunde legten sich im Kreis um sie herum, um sie zu wärmen.
In den ersten Tagen hatten ihre Körper eigentlich nur aus Schmerz, Muskelkater und Krämpfen bestanden, vor allem ihre Füße waren in einem jämmerlichen Zustand. Mittlerweile waren sie jedoch abgehärtet: Sie hatten sich daran gewöhnt, dass ihre Glieder beim Aufstehen steif waren und ihre Füße nach jeder Pause geschwollen. Nach einigen Tagen verheilten auch die Blasen, stattdessen bildete sich eine dicke Hornhaut.
Das Leben unter freiem Himmel drückte ihnen seinen Stempel auf, jeder fand seine Rolle und seinen Rhythmus: Feuer machen, Essen zubereiten, Geschirr spülen, Wache schieben. Die Arbeit organisierte sich ganz von selbst, während Amy den kleinen Trupp anführte. Nur sie kannte den Weg.
Allmählich veränderte sich die Landschaft. Die weiten, offenen Ebenen wichen bergigem Gelände, die blühenden Wiesen und lichten Baumgruppen wurden seltener. Stattdessen mussten sie nun felsige Hänge erklimmen und manchmal nicht enden wollende Wälder durchqueren.
Je näher sie ihrem Ziel kamen, desto öfter fragte sich Matt, was sie wohl vorfinden würden. Wie mochte der Norden inzwischen aussehen?
Ein Jahr war verstrichen, ohne dass ein einziger Pan oder Zynik Neuigkeiten aus dieser Region gebracht hatte. War Kanada von der Landkarte gelöscht worden? Was war mit dem Rest der Welt? Schließlich hatten sie auch aus Mexiko oder Mittelamerika keine Nachrichten …
Die Mitglieder der Expedition ließen vor allem abends den Himmel nicht aus den Augen, aus Angst, es könnte sich jederzeit ein Gewitter anbahnen. Doch die Foltergeister schienen Matts Spur verloren zu haben.
Der Vorfall in Canaan beschäftigte ihn pausenlos. Er machte sich Vorwürfe, weil er die Dorfbewohner dem sicheren Tod ausgeliefert hatte, und
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