Alterra - Der Krieg der Kinder: Roman (German Edition)
Wache hielt.
Die Zyniks eilten ins schützende Festungsinnere. Wer es nicht rechtzeitig zu den Treppenhäusern schaffte, wurde von den Fluten erfasst, die nach und nach die unteren Stockwerke überschwemmten.
Ambre und Chen kauerten immer noch auf der Zinne, auf die sie geklettert waren.
Ambre war der Ohnmacht nahe.
Sie hatte sich völlig verausgabt, um Matt hochzuheben, und konzentrierte jetzt ihre letzte Energie auf die schwarze Gestalt, die unten an der Mauer schwebte.
Der Torvaderon.
Das Monster, das Matt verschlungen hatte.
Ambre hielt es mit der Kraft ihrer Alteration dort fest, wo es war. Sie wusste, dass der Torvaderon sofort im Wald verschwinden würde, wenn sie ihn losließe, und dann würde sie weder ihn noch Matt je wiedersehen.
Verzweifelt klammerte sie sich an die Hoffnung, an die sie bislang nicht so recht geglaubt hatte: Tobias und nun Matt waren vielleicht nicht tot, sondern nur gefangen in diesem seltsamen Tuch, in einer anderen Welt. Vielleicht bestand noch die Chance, ihre Freunde zu retten.
Und dieser Gedanke half ihr durchzuhalten, trotz des Schwindelgefühls, trotz der Schmerzen, die ihr schier den Kopf zerrissen. Wenn sie fest an Matt und Tobias dachte, konnte sie bei Bewusstsein bleiben.
Kaum hatte der Torvaderon begriffen, dass er von einer unsichtbaren Kraft gefangen gehalten wurde, war das Unwetter losgebrochen. Die Blitze schlugen auf gut Glück ein, um ihren Herrn und Meister zu befreien. Es war ihm gelungen, Matt zu überraschen, indem er sich ohne seine Späher fortbewegt hatte, doch jetzt hätte er seine Leibgarde gut gebrauchen können.
Ben, Horace und Tania waren aus dem Wald herbeigelaufen und versuchten, den Torvaderon einzukreisen und mit ihren armseligen Waffen zurückzuhalten. Sie wussten nicht, ob sie auf die rätselhafte Kreatur einschlagen oder selbst hineinspringen sollten, um Matt zu befreien.
Plötzlich wuchs aus der Mitte des schwarzen Tuchs ein gespenstischer Schädel hervor. Ein Totenkopf mit breiter Stirn, vorstehenden Kiefern und bedrohlichen Augenhöhlen.
Der Mund klappte auf, als wolle er schreien, und mit einem Rascheln kamen mehrere Gestalten zum Vorschein, die verschreckt aus der Finsternis glitten. Tania spannte ihren Bogen und zielte auf die erste, bemerkte aber im letzten Moment, dass es sich um einen Pan handelte.
Als Tobias und Matt aus der Mundöffnung rollten, lief Ben auf sie zu.
»Matt! Lauft weg von diesem Ding! Wir haben es!«
Matt rappelte sich benommen auf.
»Lasst ihn«, sagte er kraftlos. »Lasst ihn ziehen.«
»Was? Bist du verrückt? Es hat dich … Es hat dich verschluckt!«
Matt schüttelte müde den Kopf.
»Er ist geschwächt, er wird fliehen. Lasst ihn.«
Ben verstand gar nichts mehr. Er warf Tania und Horace einen Blick zu, doch die zuckten auch nur ratlos mit den Schultern. Also wich er zurück und bedeutete ihren beiden Gefährten auf der Mauer, dass der Kampf vorbei war.
Ambre löste ihre mentalen Ketten und verlor das Gleichgewicht. Chen konnte sie gerade noch festhalten.
Der Torvaderon flatterte im Wind und richtete sich vor den Jugendlichen auf.
Matt hatte den Verschlinger, eine der Lebensfunktionen des Wesens, schwer verletzt. Es hatte keine Kraft mehr, sich seine Beute zurückzuholen.
Das Knochengesicht musterte Matt einen Augenblick lang, dann rauschte die wogende Gestalt blitzschnell zwischen den Felsen davon und verschwand im Wald.
Der Sturm war so heftig, dass kein Wachposten mehr die Ebene beobachtete. Das Erscheinen der Pans und ihr Kampf mit dem Torvaderon waren vollkommen unbemerkt geblieben.
Neil und Ben brachten die Neuankömmlinge in ihr Lager am Waldrand und betteten sie neben die Hunde.
Matt ließ sich etwas abseits nieder.
Tobias kniete sich neben ihn.
»Es tut mir leid«, sagte er tieftraurig.
»Du wusstest es, nicht wahr? Du hast ihn gesehen …«
Tobias brachte keinen Ton über die Lippen, er nickte nur.
»Das ist unmöglich«, versuchte Matt sich einzureden. »Das kann nicht er sein.«
»Es war seine Stimme, sein Gesicht.«
Matt vergrub den Kopf zwischen den Armen.
Er war verloren. Er war auf alles gefasst gewesen, nur auf das nicht.
Die Seele des Torvaderon, sein Gehirn, besaß ein menschliches Gesicht.
Das seines Vaters.
Ben und Tania näherten sich.
»Ambre und Chen sind oben auf der Mauer, und Floyd ist immer noch auf der anderen Seite. Wir müssen etwas unternehmen«, sagte Ben.
Matt nickte.
Er stand mühsam auf.
»Ich klettere mit Tobias über die Mauer«,
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